Freitag, 15. Mai 2009
Vom Umgang mit Minderheiten
In den letzten Wochen haben fünf weitere Bundesländer Zeugen Jehovas als Religionsgemeinschaft (Körperschaft des öffentlichen Rechts) anerkannt.

In Baden-Württemberg war das auch geplant, wurde dann aber kurzfristig vertagt. Abgesehen davon, dass natürlich niemand gezwungen ist, Zeugen Jehovas gut zu finden, ist es doch seltsam, mit welchen Gründen die Anerkennung abgelehnt wird.

Stefan Mappus z.B. sagte: „Eine Glaubensgemeinschaft, die Volkswahlen ablehnt, die individuelle Freiheit gering schätzt und zum Beispiel gegen Bluttransfusionen ist, kann aus Sicht der CDU-Landtagsfraktion nicht als verfassungstreu gelten.“

Möglicherweise hat Herr Mappus sich nicht zum Thema informiert, sonst wüsste er, dass genau die angesprochenen Fragen von deutschen Gerichten bis hin zum Bundesverfassungsgericht wiederholt geprüft wurden und sie regelmäßig zum Ergebnis gekommen sind, dass Zeugen Jehovas sich in diesen Fragen im Rahmen des Grundgesetzes bewegen. Woher weiß ich das? Die Gerichtsentscheide sind im Internet verfügbar. Wer sich informieren will, kann alles nachlesen.

Außerdem stelle ich mir die Frage, was "nicht verfassungstreu aus Sicht der CDU" ist. Wie unterscheidet sich das von "verfassungstreu aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts"? Hat die CDU ein anderes Grundgesetz als jenes, dass das BVG und andere deutsche Gerichte als Maßstab bei der Prüfung anlegten?

Ein weiteres Zitat: Allein die vertagten Pläne seien für "die Mitglieder, die unter den Methoden dieser Gemeinschaft leiden", ein "Schlag ins Gesicht", sagte die SPD-Abgeordnete Sabine Fohler.

Woher kennt Frau Fohler die Gefühle der einzelnen Zeugen Jehovas? Sie unterstellt mit ihrer Äußerung, dass die einzelnen Zeugen Jehovas gegen ihren Willen "Mitglieder" seien. Sie verkennt anscheinend völlig, dass der einzelne Zeuge Jehovas sich aus eigenem Antrieb entscheidet, diese Religion anzunehmen, nachdem er die Religion kennengelernt hat.

Anscheinend wollen außerdem mehrere Abgeordnete lieber ein Gerichtsverfahren, anstatt sich an das Gesetz zu halten. Da alle strittigen Fragen hierzu bereits vom BVG und vom BVerwG geklärt wurden, sieht das für mich wie ein Mißbrauch der Gerichte aus, um eine unbeliebte Entscheidung auf später zu verschieben. Und später kann man dann ja immer sagen: "die Gerichte haben uns gezwungen" als ob die Gerichtsentscheidungen wie eine Naturkatastrophe über uns kommen würden.Übrigens, die Kosten eines solchen (sinnlosen) Verfahrens trägt natürlich der Steuerzahler.

Ich werde das Gefühl nicht los, dass die Abgeordneten hier einfach aufgrund ihrer Vorurteile handeln, ohne sich überhaupt zum Thema informiert zu haben.

Ich sehe dabei folgendes Problem: Nach der Rechtslage ist klar, wie entschieden werden muss. Statt aber selber die Gesetze zu akzeptieren und umzusetzen, will man sie lieber umgehen. Die Schuld dafür, dass dies nicht funktioniert, wird dann später "den Gerichten" übertragen, die es wagen, nach Gesetzes- und Faktenlage zu entscheiden. Solch ein Vorgehen führt nicht dazu, dass der einzelne Bürger "der Politik" vertrauen kann.

Interessanterweise will die Regierung von BW jetzt mit den Kirchen über diese Frage reden. Es wird nicht gesagt wozu. Eigentlich haben die Kirchen hier überhaupt kein Mitspracherecht.

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