Freitag, 5. Februar 2010
Sacharja 12,10 - eine bohrende Frage
(Sacharja 12,10; EB)
Und sie werden mich ansehen, den sie durchbohrt haben, und sie werden um ihn klagen, wie man klagt um ein einziges Kind, und werden sich um ihn betrüben, wie man sich betrübt um den Erstgeborenen.
Diejenigen, die meinen, dass Jesus der gleiche ist wie Jehova im AT, führen des öfteren Sacharja 12,10 an als einen Bibeltext, der diese Gleihhheit nachweisen soll. So las ich im Internet u.a. folgende Frage:
wie kann Jahwe von sich sagen, das man auf "Ihn" schauen wird, den man durchstochen hat, wenn er nicht selbst als "Sohn" zur Erde kam (Sach, 12,10)? Ist Jesus nicht derjenige der "Durchstochen" wurde
Die implizite Schlussfolgerung ist: da der gleiche Sachverhalt von beiden ausgesagt wird, muss es sich um die gleiche Person handeln.

Einige gehen noch weiter und werfen der NWÜ Fälschung vor, da dort steht: "und sie werden gewiß auf DEN schauen, den sie durchstochen haben, und sie werden sicherlich um IHN klagen wie bei der Klage um einen einzigen [Sohn]". Hier gibt es keine Bezugnahme mehr auf "mich", d.h. Jehova, stattdessen wird hier gesagt "den", womit ein anderer gemeint ist.

Hat die NWÜ hier den Bibeltext verfälscht?

Diese Frage ist sehr einfach zu beantworten, indem wir uns andere Bibelübersetzungen anschauen. Das Ergebnis? Eine ganze Reihe anderer Bibelübersetzungen wird dieser Vers ähnlich formuliert wie in der NWÜ:
Hfa: Voller Reue werden sie auf den sehen1, den sie durchbohrt haben
GN: Sie werden schuldbewusst zu mir aufblicken wegen des Mannes, den sie durchbohrt haben.
EÜ: Und sie werden auf den blicken, den sie durchbohrt haben
NL: Sie werden auf den schauen, den sie durchbohrt haben
Menge: so daß sie auf den hinblicken werden, den sie durchbohrt haben
Eine große Zahl von Übersetzungen hat offensichtlich keine Probleme damit, diese Aussage aus Sacharja jemandem anders als Jehova zuzuschreiben.

Warum die zwei unterschiedlichen Wiedergaben? Die Fußnote der EB sagt dazu auszugsweise: "Eine Reihe von hebr. Handschr. ändert in: und sie werden auf ihn blicken." Es gibt also bereits in der Überlieferung dieses Verses zwei Varianten. Bevor man also etwas aus diesem Vers schlussfolgern kann, muss man erst mal feststellen, welche Variante "die richtige" ist. Aber genau das machen diejenigen nicht, die hier der NWÜ Fälschung vorwerfen. Daher ist dieser Vorwurf substanzlos.

Welche Variante ist richtig?

Welche Hinweise haben wir? Wir haben die Stelle im NT, die auf Sacharja 12,10 Bezug nimmt. In Johannes 19,37 gibt es keine Textvariante, hier lautet der Text einheitlich:
(EB) Und wieder sagt eine andere Schrift: "Sie werden den anschauen, den sie durchstochen haben."
Der Schreiber des Johannesevangeliums kannte also Sacharja in der Variante, die auch in der NWÜ wiedergegeben wird und er benutzt diese Variante, um zu zeigen, dass sich der Text an Jesus erfüllt.
Damit ist klar, dass die Christen im ersten Jh. die gleiche Variante kannten, wie die NWÜ heute.

Und diese Variante sagt nicht aus, dass Jesus Jehova ist.

Wenn aber die Variante mit "mein" richtig ist?

Selbst dann können wir nicht sagen, dass Jesus hier mit Jehova glaichgesetzt wird. Warum? Schauen wir uns die vorhergehenden Verse in Sacharja 12 an:
8 An jenem Tag wird der HERR die Bewohner von Jerusalem beschirmen; und der Stürzende unter ihnen wird an jenem Tag wie David sein und das Haus David wie Gott, wie der Engel des HERRN vor ihnen her.9 Und es wird geschehen an jenem Tag, da trachte ich danach, alle Nationen zu vernichten, die gegen Jerusalem herankommen.
Unmittelbar vor Vers 10 wird von Jehova in der dritten Person gesprochen. Es ist also durchaus möglich, dass hier jemand anders redet als Jehova selber. Im Kapitel 11 redet z.B. auch ein Hirt für Israel. Spricht er hier weiter? Es gibt keinen eindeutigen Beleg dafür, wer hier redet.

Im Kapitel 12 wird wiederholt der Ausdruck "spricht Jehova" verwendet. Dieser Ausdruck wurde normalerweise von Menschen benutzt, die eine Botschaft Gottes zu übermitteln hatten. Dann würden sich die Worte auf den Propheten Sacharja beziehen, der hier von sich sagt, dass er durchstochen würde. Ist das möglich?

Im Kapitel 11 z.B. äußert der Prophet eine Prophezeiung über Judas Iskariot in der "Ich"-Form, wenn er sagt:
12 Und ich sagte zu ihnen: Wenn es recht ist in euren Augen, gebt mir meinen Lohn, wenn aber nicht, lasst es bleiben! Und sie wogen meinen Lohn ab: dreißig Silberschekel.13 Da sprach der HERR zu mir: Wirf ihn dem Töpfer16 hin, den herrlichen Wert, den ich ihnen wert bin! Und ich nahm die dreißig Silberschekel und warf sie in das Haus des HERRN dem Töpfer hin.
Niemand kommt auf die Idee, deswegen den Propheten Sacharja mit Judas Iskariot gleichzusetzen. Wenn aber Sacharja prophetisch im Namen einer Person sprechen kann, warum dann nicht im Namen Jesu? Selbst also, wenn man annimmt, dass in Sacharja 12,10 die Variante korrekt ist: "Ihr werdet auf MICH schauen...", dann setzt das noch lange nicht Jesus mit Jehova gleich

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