Donnerstag, 1. April 2010
Bin ich ein Kindermörder?
Diesen Vorwurf durfte ich heute zum wiederholten Male lesen:
So werden von den Zeugen Jehovas und anderen religiösen Gemeinschaften immer wieder Kinder geopfert, weil Eltern die Zustimmung zu nötigen Bluttransfusionen unter Bezugnahme auf 3. Mose 17,10 oder Apg. 15,20 verweigern.
Was denk ich mir dazu? Zuerst einmal benutzt der Autor netterweise einen Ausdruck ("Kinder geopfert"), der beim Leser den Eindruck erweckt, dass Zeugen Jehovas ihre Kinder schlachten und damit in die moralisch verwerlichste Kategorie gehören. Das ist natürlich Unsinn, Zeugen Jehovas lieben ihre Kinder genauso wie andere Eltern (wenn nicht noch mehr).

Das nächste, was mir auffällt, ist der Ausdruck "immer wieder", wodurch mir eingeredet wird, dieses Verhalten gehöre zum alltäglichen Verhalten von Zeugen Jehovas. Seltsamerweise bringt der Autor aber keine Beispiele. Das könnte natürlich daran liegen, dass es keine realen Beispiele gibt: In den letzten Jahrzehnten ist in Deutschland (nach meinem Wissen) kein Kind daran gestorben, dass seine Eltern eine Bluttransfusion verweigert haben. Ich habe aber schon von jugendlichen Zeugen Jehovas gelesen, die starben, nachdem sie (gegen den eigenen Willen und den der Eltern) Bluttransfusionen erhielten, wie z.B. im Fall von Bethany Hughes in Kanada.

Dieser Vorwurf ist im Ende nichts anderes als ein Vorurteil, dass immer wieder ohne nachdenken und ohne nachprüfen wiederholt wird. Niemand macht sich aber die Mühe, einmal die Fakten zu sammeln. Wenn Zeugen Jehovas wirklich "immer wieder" ihre Kinder "opfern", wo sind die dokumentierten Fälle? Wo sind die verurteilten Eltern? Dass man dies nirgendwo findet, spricht für sich.

Stattdessen sind derartige Vorwürfe Mittel zur Ausgrenzung von Minderheiten. Wer will schon etwas mit Kindermördern zu tun haben? Wer sie verteidigt, stellt sich ja mit dem Abschaum der Menschheit in eine Ecke. Mit solchen Leuten gibt es keine Diskussion. Und je weniger man miteinander redet, umso einfacher ist es natürlich, derartige Vorurteile zu verbreiten und zu glauben. Und so werden Zeugen Jehovas in der Schule und auf der Arbeit links liegen gelassen, weil sie ja derartiges treiben.

Wer freut sich darüber? Die Kirchen, die vor der Konkurrenz warnen können, die Atheisten, die ihre Abneigung gegen alle Religionen bestätigen können und Menschen, die ihre persönliche Abneigung gegen Zeugen Jehovas so rechtfertigen können.

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