Donnerstag, 8. Juli 2010
Zaubertricks, Unglaube, Schöpfung und Dawkins
Richard Dawkins schreibt in seinem Buch "Der Gotteswahn" (S. 179f):
Hinter der Theorie des "Intelligent Design" steht eine bequeme, defätistische Denkweise - es ist die klassische Vorstellung vom "Gott der Lücken". Ich selbst habe sie früher einmal als Argument des persönlichen Unglaubens bezeichnet.
Auf den ersten Blick scheint das logisch: Menschen, die an einen Schöpfer glauben, können sich einfach nicht vorstellen, dass die Evolution etwas bestimmtes hervorbringen kann; es ist einfach ein "Versagen der Phantasie" (S. 178). Allerdings konterkariert Dawkins sein Argument mit einem Beispiel im folgenden Absatz:
Angenommen, wir sehen einen wirklich guten Zaubertrick, zum Beispiel vom berühmten Magierduo Penn und Teller. Die beiden haben einen Programmpunkt, bei dem sie gleichzeitig scheinbar mit Pistolen aufeinander schießen und jeder die Kugeln des anderen mit den Zähnen aufzufangen scheint. Vor dem Laden der Pistolen werden die Kugeln aufwendig mit eingekerbten Markierungen gekennzeichnet; der ganze Vorgang wird von Freiwilligen aus dem Publikum, die Erfahrung mit Feuerwaffen haben, aus nächster Nähe beaufsichtigt; und es scheint, als wären alle Möglichkeiten für einen Trick beseitigt. Am Ende ist Tellers markierte Kugel in Penns Mund und die von Penn landet im Mund von Teller. Nun kann ich, Richard Dawkins, mir absolut nicht vorstelle, wie hier ein Trick funktionieren soll. Das Argument des persönlichen Unglaubens ist ein Aufschrei aus den Tiefen der vorwissenschaftlichen Gehirnareale, und es zwingt mich fast zu sagen: "Das muss ein Wunder sein. Es gibt dafür keine wissenschaftliche Erklärung. Übernatürliche Mächte müssen ihre Hand im Spiel haben."

Aber die leise Stimme der wissenschaftliche Bildung sagt etwas anderes. Penn und Teller sind Weltklasse-Illusionisten. Es gibt eine völlig ausreichende Erklärung. Ich bin nur zu naiv, zu unaufmerksam oder zu fantasielos, deshalb komme ich nicht daraufDas ist die richtige Reaktion auf einen Zaubertrick.Und es ist auch die richtige reaktion auf ein biologisches Phänomen, das scheinbar von nicht reduzierbarer Komplexität ist.
Was stellt Dawkins hier als analog gegenüber? Zum einen die Idee, dass der Zaubertrick auf übernatürlichen Fähigkeiten beruht mit der Idee, dass die Schöpfung durch einen (übernatürlichen) Designer entstanden ist sowie die Überzeugung, dass es eine 'natürliche' Erklärung für den Zaubertrick gibt mit der Überzeugung, dass die Evolutionstheorie(n) die Herkunft der Lebewesen erläutern, selbst wenn wir in beiden Fällen nicht genau wissen, wie es geht.

Dieses Beispiel hat einen Haken: die 'natürliche' Erklärung für den Zaubertrick basiert nicht auf ungerichteten Naturprozessen, sondern auf dem 'Intelligent Design' der Zauberkünstler. Die Kugeln landen nicht im Mund der Zauberer, weil Naturgesetze und/oder Zufall dies bewirken, sondern weil zwei geschickte und intelligente Leute hart dafür gearbeitet haben: sie haben sich das ganze ausgedacht und dann den Trick in die Tat umgesetzt. Wir können zwar nicht sehen oder verstehen, wie sie es gemacht haben, aber wir 'glauben' trotzdem, dass sie es gemacht haben, weil der ganze Vorgang die 'Handschrift' intelligenter Planung trägt. Niemals würde Dawkins oder jemand anders auf die Schnapsidee kommen, dass es ein Naturgesetz gäbe, dass bewirkt, dass die Kugeln im Mund des jeweils anderen Zauberers landen.

Dawkins ist hier so darauf bedacht, Leute, die an Gott bzw. einen Schöpfer glauben, als leichtgläubig darzustellen, dass er nicht merkt, was er eigentlich erzählt: intelligente Planung (in Form eines Zaubertricks) kann erkannt werden, selbst wenn man nicht weiß, wie sie in die Tat umgesetzt wird, bzw. wie der Plan genau aussieht. Eigentlich ist das genau die Idee, die er in dem Kapitel lächerlich machen will (oder netter ausgedrückt: die er kritisiert).

Dawkins hat hier anscheinend unwillkürlich die Kategorien "Planung" und "Evolution" miteinander gleichgesetzt. Was ich mich frage: warum fällt einem 'kritisch denkenden', intelligenten Menschen nicht auf, dass er so etwas schreibt? Oder ist er der Meinung, dass ohnehin keiner über das nachdenkt, was er schreibt?

Eigentlich will er kritisieren, dass einige "Menschen [...] von ihrer persönlichen Verblüffung über ein Naturphänomen, den Sprung zur eiligen Beschwörung des übernatürlichen vollziehen." Dabei fällt ihm nicht auf, dass der Sprung, der vollzogen wird, erst einmal 'nur' von der Verblüffung zur Annahme einer planenden Intelligenz gezogen wird - ein Schluss, der so naheliegend ist, dass Dawkins ihn selber zieht, wenn es gerade nicht um Evolution sondern um Zaubertricks geht. Erst ein zweiter Gedankenschritt macht daraus dann einen übernatürlichen Schöpfer, nämlich der Schritt, dass keine andere (sinnvolle) planende Intelligenz zur Erklärung des Lebens verfügbar ist.

Weiterhin ist interessant, dass der Zaubertrick so geplant wurde, dass er 'übernatürlich' wirkt, denn das ist der Sinn von Zaubertricks. Trotzdem schließt Dawkins (und wir alle) das aus, WEIL wir von der Macht der Planung überzeugt sind und wisse, dass Planung Dinge kann, die nur mit Wundern vergleichbar sind (wenn wir die Planung nicht zumindest prinzipiell nachvollziehen können), nicht aber mit Naturprozessen, von denen wir wissen, dass sie es nicht können.

Im Endeffekt hat Dawkins also mit seinem Beispiel nachgewiesen, dass man 'intelligentes Design' erkennen kann, selbst wenn der Designer versucht, sein Handeln zu verstecken. Leider (oder in diesem Fall auch nicht) ist das kein Einzelfall vonn wenig sinnvollen Gedankengängen in dem Buch "Der Gotteswahn".

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