Dienstag, 13. Juli 2010
Zeugen Jehovas im Rundfunk? (Update)
Ein paar Artikel zu dem Bestreben der Zeugen Jehovas, in der "deutschen Welle" auch einen Programmanteil zu erhalten:

in der taz
In der Welt (wer den Artikel durchliest, stellt fest, dass niemand klagt: Die Überschrift ist Unsinn)
Christliches Medienmagazin pro

Schauen wir mal, was da weiter passiert...

Update (16.07.2010)
Ein Beitrag auf "evangelisch.de", der sehr interessant ist, weil er auch Kommentare von Kirchenmitarbeitern enthält, die im Rundfunk arbeiten.

Der katholische Beauftragte für die Deutsche Welle schreibt:
Lutz Nehk, Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Deutsche Welle TV und Deutschlandradio Kultur, findet das Anliegen der Zeugen Jehovas nachvollziehbar. "Als sie 2006 Körperschaft öffentlichen Rechts wurden, haben sie einen riesigen Schritt in Richtung Gleichstellung erreicht. Jetzt fordern sie die entsprechende Rechte ein."

Die kirchliche Arbeit im Rundfunk sei aber nicht zu unterschätzen, sagt der Pfarrer. "Man darf nicht einfach lospredigen, sondern muss sich gezielt mit gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen und auch die Formatvorgaben einhalten. Das muss man erstmal lernen." Sendungen von schlechter Qualität könnten alle religiösen Sendungen in Verruf bringen. Eine eventuelle religiöse Konkurrenz im Rundfunk stört ihn nur, "wenn uns dafür Sendeplätze weggenommen werden."
Ähnlich sieht das Thomas Dörken-Kurcharz, Chef vom Dienst der Rundfunkarbeit im Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik:
Es gebe gute rechtliche Gründe, den Zeugen Jehovas den Zugang in die Deutsche Welle einzuräumen. "Das wird aber nicht mit einem Brief an die Deutsche Welle getan sein, es muss sicher eine parlamentarische Entscheidung getroffen werden." Gäbe es diesen gesellschaftlichen Konsens, müssten die etablierten Kirchen die Konkurrenz annehmen. "Das kann ja auch belebend sein."
Interessant daran ist, dass Herr Nehk und Herr Dörken-Kucharz Sendungen für Zeugen Jehovas befürwortet. Warum? Möglicherweise deshalb, weil kirchliche Sendungen im Rundfunk prinzipiell in Frage gestellt wären, wenn sie nicht allen offen stehen.

Andererseits zeigen die Worte die verschiedenen Wege auf, mit denen die Kirchen die Sendungen doch verhindern (wollen):
1) Man darf nicht einfach lospredigen, sondern muss sich gezielt mit gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen und auch die Formatvorgaben einhalten. [...]Sendungen von schlechter Qualität könnten alle religiösen Sendungen in Verruf bringen.

2) Religiöse Werbung ist laut Rundfunkstaatsvertrag nicht zulässig. "Es geht darum, religiöse Antworten auf gesellschaftliche Fragen zu geben" [...] Man spricht nicht zu seiner eigenen Klientel. Darin liegt eine Chance, es ist aber auch schwieriger

3) Eine eventuelle religiöse Konkurrenz im Rundfunk stört ihn nur, "wenn uns dafür Sendeplätze weggenommen werden."

4) "Das wird aber nicht mit einem Brief an die Deutsche Welle getan sein, es muss sicher eine parlamentarische Entscheidung getroffen werden." Gäbe es diesen gesellschaftlichen Konsens, müssten die etablierten Kirchen die Konkurrenz annehmen.
Ich denke, dass wir in Zukunft aufbauend auf diesen Ideen (und falls sie nicht reichen, auch anderen) weitere Vorbehalte aus kirchlicher Seite hören werden.

Interessant für mich ist ebenfalls, dass eine "parlamentarische Entscheidung" gefordert wird, in einer Frage, die rechtlich bereits geregelt ist. Anscheinend hat niemand (in Kirche und Politik) es für möglich gehalten, dass irgendjemand wirklich mal den §17 des Gesetzes in Anspruch nimmt. War der Paragraf bloß dazu gedacht, dem Gesetz den Anschein von Verfassungskonformität zu geben, während er in der Realität die Privilegien der Kirchen sichern sollte?

Schmunzeln musste ich bei folgendem Satz:
Alles was die Religionsgemeinschaft dann öffentlich sagt, kann gesellschaftlich breiter diskutiert und eingefordert werden. Zum Beispiel, dass laut den Zeugen Jehovas nur 144.000 Menschen nach dem Tod in den Himmel kommen und sie ja selbst viel mehr sind, ist eine Frage, die in einer öffentlichen Diskussion schwierig aber spannend sein wird.
Möglicherweise finde ich nächste Woche Zeit für etwas "öffentliche Diskussion"...

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