Dienstag, 10. August 2010
Dawkins Airlines (III)
Mission impossible
Teil 1
Teil 2

Damit eine Theorie wissenschaftlich ist, muss sie falsifizierbar sein, d.h. man muss ein Kriterium angeben, welche möglichen Fakten dafür sorgen würden, dass die Theorie falsch sein muss; z.B. wenn man morgen eine Kante in der Erde entdeckt an der alles hinunterfällt, dann wäre die Theorie von der Erde als Kugel widerlegt.

In seinem Fast-"Beweis, dass Gott nicht existiert", nennt Dawkins im Buch "Der Gotteswahn" auf Seite 173f ein solches Kriterium:
Vielleicht gibt es in der Natur tatsächlich etwas, das durch seine echte nicht reduzierbare Komplexität die sanfte Steigung zum Gipfel des Unwahrscheinlichen ausschließt. In einem Punkt haben die Kreationisten recht: Könnte man eine solche echte, nicht reduzierbare Komplexität irgendwo stichhaltig nachweisen, wäre Darwins Theorie am Ende.
[...]
Darwin konnte keinen derartigen Fall finden, und seit seiner Zeit ist es trotz angestrengter und sogar verzweifelter Versuche auch sonst niemandem gelungen. Für diesen heiligen Gralk des Kreationismus wurden viele Kandidaten vorgeschlagen, aber keiner hielt einer gründlichen Analyse stand.
Ist dies ein echtes Falsifikationskriterium? Ich denke dass dies nicht so ist und will dies anhand der gleichen Parabel erläutern, die auch Dawkins verwendet: Der Besteigung des 'Mount Improbable'. Die Behauptung des Intelligent Design lautet dabei: Es gibt keinen sanften ununterbrochenen Pfad zu irgendeinem Berggipfel. Die Behauptung der Evolutionstheorie lautet: Es gibt einen derartigen Pfad für jeden Berggipfel des Gebirges.

Diese beiden Behauptungen sind hinsichtlich ihrer Beweisbarkeit nicht gleichwertig: Die Existenz eines derartigen Pfades kann ich leicht demonstrieren, indem ich ihn benutze, um zum Berggipfel zu gehen. Die Nichtexistenz eines derartigen Pfades kann ich nur demonstrieren, indem ich für jeden möglichen Ausgangspunkt beweise, dass von dort aus kein wie auch immer gearteter Weg den Berg hoch führt. Da ein derartiger Weg auf unerwarteten Serpentinen oder durch Höhlen und Schluchten führen könnte und da ich an jedem Punkt meines versuchten Weges entscheiden kann, ob ich z.B. rechts, links oder gradeaus weitergehen will, ist die die Zahl der auszuprobierenden Wege sehr groß, so groß, dass in der Realität niemand die Möglichkeit hat, nachzuweisen, dass keiner dieser endlosen Versuche zum Gipfel führt.

In der Realität würde man natürlich so vorgehen: Man sucht alle realistischen Möglichkeiten, auf den Gipfel zu kommen; wenn man feststellt, dass man keinen Weg findet, dann kann man sagen: "Eine hinreichend ausführliche Suche hat keinen Weg zum Gipfel ergeben, darum ist es wahrscheinlich, dass es keinen Weg gibt. Wer trotzdem einen Weg findet, erhält eine Belohnung." Das ist natürlich kein 100%er Nachweis, aber wenn jemand meint: "es muss aber einen Weg zum Gipfel geben", kann man ihm immer antworten: "Wir haben in 2793 dokumentierten Versuchen keinen Weg gefunden. Wenn du meinst, dass es trotzdem einen gibt, dann zeige ihn."

Jetzt kommt einer und sagt: "Das liegt einzig an deinem Mangel an Phantasie. Es ist sehr einfach, sich einen entsprechenden Weg zu einem Gipfel vorzustellen; und wenn man hinreichend genau sucht, wird man ihn irgendwann finden." Was hat er damit gezeigt? Erst mal nur, dass er mehr Phantasie hat. Es besteht natürlich die Möglichkeit, dass er Recht hat und irgendwo ein Weg existiert, den er sich vorstellt, den ich aber nicht gefunden habe. Aber solange er mir diesen Weg nicht zeigt, bleibe ich skeptisch.

Wenn er dann sagt: "Schau, dort auf halber Höhe zu Gipfel siehst du deutlich ein Stück langsam ansteigendes Gelände. Es ist logisch, dass es auch in anderen Teilen des Bergs derartige Abschnitte gibt. Und es ist realistisch, dass diese miteinander verbunden sind und zum Gipfel führen." Ja schön, aber warum zeigt er mir dann nicht endlich den Weg?

Wir wollen jetzt wieder unsere Wanderschuhe wegpacken und sehen, was das mit Evolution zu tun hat. Dawkins Kriterium besagt: wenn man nachweisen kann, dass eine komplexe Struktur nicht durch Selektion entstanden sein kann, dann ist die Evolution widerlegt. Er kann das tun im Wissen, dass er etwas nahezu unmögliches fordert. Niemand kann ALLE möglichen Wege von ALLEN hypothetischen Vorläufern zu der gesuchten Struktur erkunden, da dies einfach zu viel Zeit kosten würde. Und solange niemand ALLE Wege ausprobiert hat, bleibt immer noch die Möglichkeit, dass man den richtigen übersehen hat. Und da man sich IMMER einen Weg vorstellen kann, gibt es zwar in einer idaelen Welt die Möglichkeit, die Evolution (wie Dawkins sie im Zitat oben versteht) zu widerlegen, nicht aber in unserer Welt, in der Faktoren wie Zeit und Mittel eine Rolle spielen.

Die Evolution hingegen zu bestätigen würde erfordern, dass man für hinreichend komplizierte Fälle einen detaillierten Weg angibt, auf dem Selektion die erforderlichen Änderungen bewirken kann. Das wäre in der Realität natürlich ein hartes Stück Arbeit, aber prinzipiell machbar, vorausgesetzt, Evolution ist prinzipiell möglich. Daher ist es für mich immer wieder überraschend, dass Evolutionisten dies nicht viel stärker versuchen. Jeder Fall, in denen ihnen das gelingt, würde ihre Position stärken. Bereits der erste Nachweis, dass eine komplexe Struktur durch Selektion entstehen kann, würde ein kaum zu überwindendes Hindernis darstellen, an eine göttliche Schöpfung zu glauben. Warum also setzt sich niemand hin und weist entsprechendes nach?

Natürlich wird behauptet, dass genau dies geschehen ist, aber ich habe bisher bei genauem Hinschauen erlebt, dass entsprechende Wege entweder viel zu vage beschrieben waren, als dass man sie nachvollziehen kann, oder sie enthielten Schritte, die nicht möglich sind oder vereinfachen das zu erklärende Problem so weit, dass es nichts mehr mit der realen Welt zu tun hat oder sie führen 'heimlich' etwas in die Erklärung ein, was zielgerichtet (also nicht mehr durch 'blinde' Faktoren der Evolution) zu der jeweiligen Struktur führt.

Wer so handelt, wie hier besprochen, "immunisiert" seine Ansicht gegen Fakten. Wenn man unmögliches als Beweis verlangt (logisch unmöglich, nicht faktisch unmöglich), dass die eigene Theorie falsch ist, dann ist es egal, ob die Theorie irgend etwas mit der Wirklichkeit zu tun hat, der betreffende kann sie immer als bestätigt ansehen. Genau das macht Dawkins im o.g. Beispiel mit der Evolution durch Selektion. Er verlangt einen unmöglich zu führenden Gegenbeweis.

Anmerkung: Ich habe absichtlich geschrieben: "logisch unmöglich, nicht faktisch unmöglich". Die Falsifikationskriterien für korrekte wissenschaftliche Theorien sind zwar logisch möglich (Logik hindert meinen Tisch nicht daran, langsam gen Himmel zu schweben), aber sie werden als Tatsache in unserer Welt nicht geschehen (Auch wenn ich hundert mal beweise, dass es LOGISCH möglich ist, dass mein Tisch wegschwebt, wird er stehen bleiben). Das Problem liegt also darin zwischen beiden Formen der Unmöglichkeit streng zu trennen. In Dawkins' Kriterium ist die Falsifikation aber nicht unmöglich aufgrund Tatsachen sondern aufgrund eines logischen Problems.

Was lernen wir also? Wenn man ernst genommen werden will mit seinen wissenschaftlichen Theorien, sollte man die eigenen Falsifikationskriterien ordentlich durchdenken.

Eine weitere Lehre besteht darin, warum Evolutionsbefürworter anscheinend sehr große Schwierigkeiten haben, den Begriff "nicht reduzierbaren Komplexität" korrekt zu verstehn und anzuwenden. Denn sobald man diesen Begriff korrekt anwendet, führt er dazu, dass man in den Bergen des "Mount Improbable" einen senkrechte umlaufende Wand einzieht, die zu bestimmten Punkten jeden sanft ansteigenden Weg ausschließen.

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