Dienstag, 14. September 2010
Zur Abwechslung mal aus Bremen...
[Update]: siehe unten...
Ja, diesmal sind es nicht die Politiker aus BaWü, sondern die aus Bremen:

Die TAZ:
Eine Anhörung von Berliner Senatsvertretern im April habe "nichts" erbracht. Die Grünen hatten geplant, vor Ort nach besonderen Gründen zu suchen, den Bremer Zeugen die Ankennung zu verweigern. Das Problem ist aber, so Frehe: Nach der Berliner OVG-Entscheidung kann das Verhalten oder Fehlverhalten Einzelner nicht der Religionsgemeinschaft insgesamt angerechnet werden. Selbst wenn konkrete Vorwürfe gegen die Bremer Zeugen Jehovas auftauchen würden, was bisher nicht der Fall ist, wäre das kein hinreichendes Argument, die Anerkennung zu verweigern. Möglicherweise, so Frehe, werde man nun in der Bürgerschaft eine offene Abstimmung über einen Antrag zur Anerkennung als Körperschaft durchführen. Einen Abgeordneten kann niemand zwingen, entsprechend der Rechtslage abzustimmen. Das Bundesverfassungsgericht müsste dann den Bremer Parlaments-Beschluss für verfassungswidrig erklären.
Und ein Kommentar dazu aus der TAZ fasst den ganzen Vorgang sehr treffend zusammen:
Schikane geht auch mit rechtsstaatlichen Mitteln. Angetrieben von den Grünen führt die Bürgerschaft gerade vor, wie: Denn dass die Zeugen Jehovas (ZJ) als Körperschaft anzuerkennen sind, wissen die Abgeordneten längst. Die Frage ist ja höchstrichterlich geklärt.

Stichhaltige Gründe dagegen haben sie auch nicht gefunden. Nur einen Trick, die Anerkennung hinauszuzögern: Der Landesgesetzgeber hat noch kein standardisiertes Verfahren verabschiedet. Deshalb mischt der Landtag bei jeder einzelnen Körperschafts-Entscheidung mit - und kann den Antrag ablehnen.
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Das bleibt auch dann pure Willkür, wenn dafür eine argumentative Fassade hochgezogen wird
Radio Bremen:
Die Bremische Bürgerschaft hat hat jetzt einen Brief eines Anwalts der Zeugen Jehovas bekommen. In dem Schreiben wird der Bürgerschaft eine Frist gesetzt. Bis Mittwoch dieser Woche soll das Parlament der Anerkennung zustimmen. Andernfalls wollen die Zeugen Jehovas vor das Bremer Verwaltungsgericht ziehen.
Drei oder vier Jahre nach der Antragstellung ist das ein offensichtlicher Schritt.

Sogar die ehemalige SED-Zeitung ND hat etwas zu sagen:
Abgeordnete der SPD, der Grünen und der CDU haben Bedenken und zweifeln an Toleranzfähigkeit und Loyalität der Vereinigung gegenüber dem Staat.
Was dabei natürlich vergessen wird: In Berlin sind Zeugen Jehovas seit vier Jahren anerkannt, ohne dass es größere Probleme gegeben hat. Seit über hundert Jahren haben Zeugen Jehovas sich rechtsstaatlich verhalten, aber "Zweifel" sind natürlich wichtiger! [/sarkasmus]

Alles in allem sehen wir an diesem Beispiel leider wieder, dass rechtsstaatliche Prinzipien und Bürgerrechte in diesem Fall für die Bremer Bürgerschaft anscheinend zweitrangig sind. Wichtiger ist es, mit Willkür gegen Minderheiten seine Chancen bei der nächsten Wahl zu verbessern. Und dann wundern sich die Politiker, dass immer weniger Vertrauen zu ihnen haben und Gesetze von den Bürgern auch umgangen werden. Ob da wohl ein Zusammenhang besteht?

[Update]
Jetzt wird es noch interessanter:
Bürgerschaftspräsident Weber hat an den Rechtsausschuss einen Brief geschrieben. Darin heißt es, dass es so gut wie keine Möglichkeiten gibt, die Anerkennung der Zeugen Jehovas noch länger aufzuschieben. Denn aus einem Gutachten geht hervor, dass die Zeugen Jehovas beste Aussichten auf Erfolg haben. [...] Weber bittet, die Anerkennung jetzt schnell im Parlament auf den Weg zu bringen. Andernfalls droht Bremen eine teure Niederlage vor Gericht.
Im Endeffekt wissen also alle Beteiligten genau, was sie tun. Aber (zumindest ein Teil der Abgeordneten) will also wissentlich das bestehende Recht (und die Grundrechte der Zeugen Jehovas aus dem Grundgesetz) missachten und das ironischerweise im Namen dieser Grundrechte.

Dabei werden in Bremen doch gar keine Bananen angebaut... [/sarkasmus]

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