Donnerstag, 9. Dezember 2010
Jeremia 29,10
hgp, 13:57h
Dieser Text lautet in der NWÜ:
Der Text ist deshalb für Kritik "geeignet", da er einen Teil der Chronologie darstellt, mit der Zeugen Jehovas Ereignisse in der Bibel zeitlich einordnen. Diese Chronologie weicht ab von den Angaben, die man anderswo lesen kann. Der Vorwurf lautet also: Zeugen Jehovas ändern einen Bibeltext ab, um ihre Chronologie nicht abändern zu müssen. Ein Kritiker formuliert dies wie folgt:
Das finde ich auch nicht weiter verwunderlich. Grammatisch gibt es kein Problem mit der Wiedergabe in der NWÜ. Wie das Beispiel oben zeigt, kann so übersetzt werden. Und seit der Antike wird das auch so gemacht: schon die Vulgata enthielt: "in Babylone septuaginta anni".
Was sagt der Kontext? Eigentlich nichts, um die Frage zu entscheiden. Mit beiden Varianten kann man den Abschnitt verstehen. Bei der Variante mit "in" bezieht sich der Abschnitt auf das jüdische Exil, während eine Übersetzung mit "für" diese Frage offen lässt, da nicht gesagt wird was genau "für Babylon" 70 Jahre gilt: möglicherweise die Vorherrschaft oder dass sie die Juden im Exil halten. Die erste Möglichkeit wird heute vor allem deshalb abgelehnt, weil sie ein 70-jähriges Exil impliziert. Das ist aber nach der heute üblichen Chronologie nicht möglich:
Damit kommen wir zur nächsten Frage:
Wenn man den Brief komplett liest, dann fällt auf, dass der Professor offensichtlich etwas ganz anderes sagen wollte, nämlich, dass beide Übersetzungsvarianten möglich sind, auch wenn er eine andere bevorzugt als die NWÜ. Er macht auch deutlich, dass der Vorwurf, es würde sich bei der Variante "in Babylon" um eine Spezialität der Zeugen Jehovas handeln, absurd ist.
Damit sollte klar sein, dass Zeugen Jehovas auch hier die NWÜ nicht "verfälscht" haben. Vielleicht finde ich ja demnächst noch etwas Zeit, die Frage der Chronologie der Zeugen Jehovas noch etwas ausführlicher darzustellen...
„Denn dies ist, was Jehova gesagt hat: ‚In Übereinstimmung mit der Erfüllung von siebzig Jahren in Babylon werde ich euch meine Aufmerksamkeit zuwenden, und ich will euch gegenüber mein gutes Wort bestätigen, indem ich euch an diesen Ort zurückbringe.‘In den meisten anderen Bibelübersetzungen hingegen lautet er ähnlich wie in der Elberfelder Bibel:
Denn so spricht der HERR: Erst wenn siebzig Jahre für Babel voll sind, werde ich mich euer annehmen und mein gutes Wort, euch an diesen Ort zurückzubringen, an euch erfüllen.Lautet die Präposition nun "in" oder "für"? Und ist das wichtig? Zumindest für einige scheint dieser Text wichtig zu sein, da er ihrer Meinung nach beweist, dass Zeugen Jehovas beim Übersetzen der Bibel betrügen. Ich will mir die Vorwürfe hierbei mal genauer ansehen.
Der Text ist deshalb für Kritik "geeignet", da er einen Teil der Chronologie darstellt, mit der Zeugen Jehovas Ereignisse in der Bibel zeitlich einordnen. Diese Chronologie weicht ab von den Angaben, die man anderswo lesen kann. Der Vorwurf lautet also: Zeugen Jehovas ändern einen Bibeltext ab, um ihre Chronologie nicht abändern zu müssen. Ein Kritiker formuliert dies wie folgt:
Der einzige biblische Beweis, daß sich die Israeliten 70 Jahre in babylonischer Gefangenschaft befunden hätten, wäre somit nur durch eine Verfälschung von Jeremia 29:10 möglich.Schauen wir uns das ganze näher an:
Hat die NWÜ falsch übersetzt?
Ein Vorwurf lautet:Bezieht sich aber die Erfüllung der “70 Jahre” “für” Babylon, wie es der Urtext ja tatsächlich sagt, so wird die Auslegung der WTG schwierig.Daher die erste Frage: kann man die hebräische Präposition "le" mit "in" übersetzen? Tatsächlich kenne ich keine moderne deutsche Übersetzung, die dies in Jeremia 29,10 tut (allerdings übersetzte Luther in seiner Ausgabe von 1545 "zu Babylon", was nach damaligem Sprachgebrauch "in Babylon" entspricht). Wenn wir allerdings andere Verse betrachten, dann sieht die Sache anders aus. In Jeremia 3,17 geben die meisten Übersetzungen "le" mit "in" oder ähnlich in einem lokalen Sinn wieder (hier sieht man den Urtext mit der Präposition "le"):
[...]
Es ist auch keine andere
Bibelübersetzung bekannt, die ähnlich der NWÜ die hebräische Präposition
“le” mit “in” übersetzt.
EB: und alle Nationen werden sich zu ihr versammeln wegen des Namens des HERRN in Jerusalem.Es ist also offensichtlich möglich, "le" mit "in" zu übersetzen, wenn der Kontext es verlangt bzw. zulässt. Kommen wir daher zum nächsten Vorwurf:
HfA: und alle Völker werden sich dort versammeln, um mich anzubeten.
Schlachter: und alle Heidenvölker werden sich dorthin versammeln, zum Namen des Herrn, nach Jerusalem,
GN: Alle Völker kommen und versammeln sich dort bei mir.
EÜ: beim Namen des Herrn in Jerusalem, werden sich alle Völker versammeln
NL: Dann werden alle Völker in dieser Stadt zusammenkommen und mich anbeten.
Menge: und es werden dort alle Heidenvölker zusammenströmen um des Namens des HERRN willen [in Jerusalem]
ZB: Und dort werden sich alle Nationen versammeln, beim Namen des HERRN, in Jerusalem,
Lässt der Kontext von Jeremia 29,10 die Übersetzung "in" nicht zu?
Dieses “le” läßt tatsächlich mehrere Übersetzungsmöglichkeiten zu, aber in Jeremia 29:10 ist die einzig richtige Wiedergabe: “für”. Die sprachliche Struktur des Satzes läßt nur diese Übersetzungsvariante zu.Welche inhaltliche Begründung wird für diese Behauptung geliefert? Ich konnte keine finden. Statt zu zeigen, was die sprachliche Struktur (d.h. Grammatik und Kontext) zulässt, wird zum nächsten Punkt übergegangen.
Das finde ich auch nicht weiter verwunderlich. Grammatisch gibt es kein Problem mit der Wiedergabe in der NWÜ. Wie das Beispiel oben zeigt, kann so übersetzt werden. Und seit der Antike wird das auch so gemacht: schon die Vulgata enthielt: "in Babylone septuaginta anni".
Was sagt der Kontext? Eigentlich nichts, um die Frage zu entscheiden. Mit beiden Varianten kann man den Abschnitt verstehen. Bei der Variante mit "in" bezieht sich der Abschnitt auf das jüdische Exil, während eine Übersetzung mit "für" diese Frage offen lässt, da nicht gesagt wird was genau "für Babylon" 70 Jahre gilt: möglicherweise die Vorherrschaft oder dass sie die Juden im Exil halten. Die erste Möglichkeit wird heute vor allem deshalb abgelehnt, weil sie ein 70-jähriges Exil impliziert. Das ist aber nach der heute üblichen Chronologie nicht möglich:
Im Lexikon zur Bibel von F. Rienecker, Brockhaus Verlag 1960, steht auf Seite 447: "Die babylonische Gefangenschaft hat nicht 70 Jahre gedauert, wie man oft annimmt, sondern war kürzer. Die Aussagen Jeremia 25:11, 12; 29:10 beziehen sich nicht auf die Dauer der Verbannung; sie begrenzen die Herrschaft des neubabylonischen Reiches auf 70 Jahre."Wer das so annimmt, was hier zitiert wurde, der übersetzt dann natürlich auch so, dass es zu seiner Annahme passt. Und dann ist die Übersetzung "in" in der Tat nicht möglich, da sie eben dieser Annahme widerspricht. Wer aber dann diese Übersetzung benutzt, um nachzuweisen, dass die zugrunde liegende Annahme richtig ist (wie es die Kritiker der NWÜ gerne tun), der bastelt sich einen wunderschönen Zirkelschluss, und damit kann man alles beweisen, was man nur will, unabhängig, ob es stimmt oder nicht.
Damit kommen wir zur nächsten Frage:
Sind Zeugen Jehovas auf eine bestimmte Übersetzung angewiesen?
Das wir zumindest behauptet:Der einzige biblische Beweis, daßEs würde (für diesen Beitrag) zu weit führen, detailliert zu zeigen, warum das falsch ist, ich will hier aber demonstrieren, dass diese Behauptung offensichtlich nicht stimmen kann. Sehen wir uns dafür die dänische und schwedische Version der NWÜ an. Wenn wir den Vers 10 in den google-Übersetzer eingeben, finden wir jedes mal, dass hier die Präposition "für" lautet. Offensichtlich sind Zeugen Jehovas also nicht zwingend auf eine Übersetzungsvariante angewiesen, sonst hätten sie ja wohl hier auch so übersetzt.
sich die Israeliten 70 Jahre in babylonischer Gefangenschaft befunden hätten, wäre
somit nur durch eine Verfälschung von Jeremia 29:10 möglich.
Und was ist mit Professor Kedar?
Am Ende noch eine Kuriosität. Ein Kritiker behauptet:Gemäß der Aussage von Prof. Benjamin Kedar muß es in Jer. 29:10 „70 Jahre für Babel“ heißen (wie in den meisten Bibelübersetzungen), nicht „70 Jahre in Babylon“ wie in der NWÜ.Lustigerweise gibt es den entsprechenden Brief, in dem Professor Kedar dies "ausgesagt" hat, im Internet (ich habe mir erlaubt, die privaten Daten des Empfängers zu entfernen):
Wenn man den Brief komplett liest, dann fällt auf, dass der Professor offensichtlich etwas ganz anderes sagen wollte, nämlich, dass beide Übersetzungsvarianten möglich sind, auch wenn er eine andere bevorzugt als die NWÜ. Er macht auch deutlich, dass der Vorwurf, es würde sich bei der Variante "in Babylon" um eine Spezialität der Zeugen Jehovas handeln, absurd ist.
Damit sollte klar sein, dass Zeugen Jehovas auch hier die NWÜ nicht "verfälscht" haben. Vielleicht finde ich ja demnächst noch etwas Zeit, die Frage der Chronologie der Zeugen Jehovas noch etwas ausführlicher darzustellen...
...5085 x aufgerufen