Freitag, 21. Januar 2011
Presseschau BaWü [Update]
Morgenweb Meldung
Morgenweb Kommentar
Südkurier Meldung
Südkurier Kommentar

Schauen wir, was gemeldet wird:

Die Gründe, die für die Ablehnung genannt werden:
Die Stuttgarter Juristen argumentieren, die Zeugen böten "keine Gewähr der Rechtstreue". Sie begründen die Annahme mit dem Kontaktverbot in der Religionsgemeinschaft mit ausgetretenen oder ausgeschlossenen Mitgliedern. Als juristisch relevant sehen sie außerdem das Verbot von Bluttransfusionen, weil es auch Leib und Leben Minderjähriger gefährde.
Genau das, was in allen Gerichtsentscheiden als nicht relevant angesehen wurde, wird wieder vorgebracht.
Die Gründe für den abschlägigen Bescheid der Landesregierung sind schwerwiegend. Er halte die Zeugen Jehovas seit jeher für nicht verfassungskonform, erklärte Justizminister Ulrich Goll (FDP), der auch stellvertretender Ministerpräsident ist. Das bezieht sich unter anderem auf die Anweisung, Zeugen Jehovas dürften nicht wählen. Es besteht zwar nach der Erkenntnis des Sektenbeauftragten der Evangelischen Kirche in Württemberg, Hansjörg Hemminger, kein explizites Verbot mehr. Heutzutage würden Gewissensentscheidungen empfohlen. Das läuft bei der autoritär geführten Glaubensgemeinschaft aber erfahrungsgemäß auf ein Verbot hinaus. Das moderatere Vokabular wurde gewählt, nachdem das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2000 die Zeugen Jehovas ermahnt hatte, Gesetze und das Grundgesetz zu achten.
Das BVG hat was???? Wer will, kann das Urteil durchlesen und mir die Stelle zeigen:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20001219_2bvr150097.html
oder anders gesagt: wer erzählt solchen Unsinn?
So war es ihnen früher verboten, Organspenden und Bluttransfusionen anzunehmen. Das tangiert Artikel 2 des Grundgesetzes, der jedem Bürger die körperliche Unversehrtheit garantiert. Heutzutage kann der Staat nur eingreifen, wenn Minderjährige oder Menschen betroffen sind, die nicht selbst für sich entscheiden können.
Auch hier hat jemand schneller geredet als gedacht. Der Satz passt so etwas von nicht zu dem historischen Ablauf....

Alles in allem hat ein Kommentator mit folgendem recht:
Die Glaubensgemeinschaft hat den privilegierten Status sogar vor dem Bundesverfassungsgericht durchgefochten. Und die Argumente der Landesregierung gegen die Aufwertung sind nicht neu: vor allem der Umgang der Zeugen mit Ehemaligen und ihr Verbot, Bluttransfusionen anzunehmen. Ansonsten wimmelt es im Gutachten von Begriffen wie "nicht sicher" oder "gewisse Anhaltspunkte". Das Land spielt riskant: Sollte es in einem Prozess unterliegen, käme das für die Zeugen einer neuen Unbedenklichkeitserklärung gleich.
Anscheinend haben einige dieses "Gutachten" schon gesehen; hier wird bestätigt, was ich die ganze Zeit schon dachte: zuerst war der Wille da, Zeugen Jehovas die Anerkennung zu verweigern und dann musste jemand noch schnell ein passendes Gutachten basteln. Und derjenige hat dann (um sich selbst zu schützen) entsprechend überall hineingeschrieben, was so noch nicht sicher ist.

Falls irgendjemand das Gutachten findet wäre ich an Zusendung interessiert.

[Update]
Legal Tribune online Kommentar
...[eine] Gemeinschaft, für die der Staat des Grundgesetzes und staatliche Wahlen "Satanswerk" sind.
Es wäre wirklich schön, wenn all die Leute, die den Fall kommentieren würden, aufhören könnten, immer Vorurteile abzuschreiben. Wie war das mit "obrigkeitlichen Gewalten, die von Gott eingesetzt wurden"? Aber das ist das kleinere Problem.
Es wäre auch nicht sinnvoll, wenn die baden-württembergische Landesregierung die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas als Körperschaft anerkennen müsste, obwohl sie vielleicht zusätzliche Informationen hat, die den Berliner Behörden gar nicht zur Verfügung standen.
Das ist eine eher theoretische Möglichkeit, da Baden-Württemberg genau wie alle anderen Bundesländer in dem Berliner Verfahren eingebunden waren und mehrmals über ihre Erkenntnisse befragt wurden. Wenn man nicht unterstellen will, dass die BW-Behörden damals ihre Erkenntnisse zurückhielten, dann können sie keine Erkenntnisse haben, die den Berliner Behörden unbekannt waren.

Der Artikel nennt dann auch die einzig mögliche Quelle für neue Erkenntnisse:
Justizminister Goll verwies lediglich auf die Ergebnisses eines Gutachtens, für welches zahlreiche Gespräche mit Aussteigern geführt worden seien.
Und damit fangen die Probleme an: Gespräche mit "Aussteigern" können im ersten Schritt natürlich nur die subjektive Meinung dieser (Privat-)Personen ergeben. Und eine Behörde kann ihre Entscheidung nicht auf subjektive Meinungen dritter gründen. Daher muss die Behörde erst einmal aus der subjektiven Meinung eine objektive Feststellung machen. Hierzu muss sie die subjektiven Meinungen objektiv prüfen.

Dazu gehört, dass geprüft wird ob die jeweilige Meinung ein hinreichend vollständiges Bild ergibt oder ob noch wesentliche Details fehlen, ob andere Beteiligte an den Vorgängen eine andere Meinung haben, ob die Religion die Ursache für die entsprechenden Vorgänge war, oder ob andere Umstände (z.B. Familienstreit) eine Rolle spielten, ob Behauptungen zu Lehren und Vorgehensweisen stimmen etc.

Angesichts der o.a. Aussage eines Reporters, dass das entsprechende Gutachten 'von Begriffen wie "nicht sicher" oder "gewisse Anhaltspunkte"' wimmelt, kann ich annehmen, dass eine derartige Prüfung nicht oder nur unzureichend erfolgte. Das aber einer Gruppe ein Grundrecht vorenthalten wird aufgrund der subjektiven Meinung dritter ist gelinde gesagt nicht grundgesetzkonform.
Allerdings ist der Rechtsweg ist für die Zeugen Jehovas nicht ohne Risiko. Sollte sich die negative Beurteilung der Landesregierung als rechtlich zutreffend herausstellen, dürften auch in den übrigen Bundesländern Forderungen laut werden, ihnen den bereits erteilten Körperschaftsstatus wieder zu entziehen.
Das ist sehr blauäugig. Sollten Zeugen Jehovas auf eine Klage verzichten, würde der Bescheid rechtskräftig, nach denen sie die Voraussetzungen für eine K.d.ö.R. nicht erfüllen. Auch dann würden natürlich die anderen Bundesländer versuchen ihnen den Status mit der gleichen Begründung zu entziehen, mit der BaWü ihn nicht gewährte.

Da andererseits es keine Hinweise auf ernstzunehmende Einwände seitens BaWü gibt, ist das Risiko einer Klage gering, solange die Gerichte sich an das Gesetz halten.

Und damit zum neuen Stand der Anerkennung:

grün: Zeugen Jehovas anerkannt
rot: Anerkennung abgelehnt
gelb: Entscheidung steht noch aus
(Stand 21.01.2011)

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