Dienstag, 6. Dezember 2011
Weihnachtsgeld und Zeugen Jehovas
Passend zur Jahreszeit einmal die folgende Frage: dürfen Zeugen Jehovas Weihnachtsgeld annehmen und müssten sie nicht eigentlich über Weihnachten arbeiten gehen (ohne Feiertagszuschlag), da sie doch kein Weihnachten feiern?

So abartig mir persönlich die Frage vorkommt, sie wird in deutschen Internetforen anscheinend öfters gestellt. Hier in paar Beispiele (Rechtschreibung nicht korrigiert):
Beispiel 1:
Ich sage sie sind Scheinheilige.
Sie sagen es gibt kein Ostern, Weihnachten und sonstige Kirchlichen Feiertage lehnen sie ab. OK nix dagegen einzuwenden. Aber wenn sie an einem solchen Tag arbeiten dann wollen sie den Feiertagszuschlag. Weihnachtsgeld kassieren sie auch. Lehne mal einem ZJ sowas mit der Begründung ab... Ihr seht euch vor Gericht.

Beispiel 2:
Interessanterweise ist für diese Leute Weihnachten etc. ein heidnisches Fest, aber Weihnachtsgeld und der dazugehörige Urlaub nehmen sie gerne.

Beispiel 3:
Die Z J feiern keinen Geburtstag und auch kein Weihnachten , Weihnachtsgeld wird aber gerne genommen mit der Begründung das wäre eine Gewissenssache .

Beispiel 4:
da fragte ich den knaben mal, ob er denn brav jedes jahr weihnachten arbeiten geht und sein weihnachtsgeld spendet, da die ja kein weihnachten kennen
Sind Zeugen Jehovas also Heuchler, denen das Geld und die Freizeit wichtiger ist als ihre Religion?

Um diese Frage einmal ernsthaft zu besprechen, will ich folgende Punkte ansprechen:
  • Warum feiern Zeugen Jehovas kein Weihnachten?
  • Wieso ist Weihnachten ein Feiertag?
  • Wieso bekomme ich überhaupt Weihnachtsgeld?

Warum feiern Zeugen Jehovas kein Weihnachten?

Ich will hier keine theologische Abhandlung hierzu schreiben, daher nur das wichtigste in Kürze: Weihnachten in seiner traditionellen Form ist ein religiöses Fest der Kirchen. Allerdings ist ziemlich offensichtlich, dass die Ursprünge in vorchristlichen Religionen liegen.

So stimmt das Datum des Weihnachtsfestes "zufällig" mit dem Datum des "Geburtstags der unbesiegten Sonne" überein, der im römischen Mithras-Kult genau zu der Zeit populär war, als die Kirche Weihnachten "erfand".

Lichter wurden um diese Jahreszeit gerne verwendet, um den Sonnengott daran zu erinnern, dass er sich etwas mehr anstrengen sollte. Grüne Zweige wurden verwendet, um die Fruchtbarkeitsgötter zu mehr Eifer anzuregen. Gegenseitige Geschenke gehörten zum Brauchtum der Saturnalien, die in etwa zur gleichen Zeit wie Weihnachten gefeiert wurden.

Zeugen Jehovas lehnen es ab, religiöse Bräuche und Feiern als christlich zu betrachten, wenn sie auf heidnisches Brauchtum zurückgehen. Darum feiern sie kein Weihnachten.

Wieso ist Weihnachten ein Feiertag?

Ist Weihnachten in Deutschland überhaupt ein "christlicher" oder "kirchlicher" Feiertag? Nein, es ist vielmehr ein gesetzlicher Feiertag. Der Unterschied zu kirchlichen Feiertagen liegt im Sinn und Zweck. Hierzu will ich aus dem Grundgesetz und (beispielhaft) aus dem hessischen Feiertagsgesetz zitieren, worin der Zweck gesetzlicher Feiertage liegt:
§139 WRV in Verbindung mit §140GG
Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt.

Hessisches Feiertagsgesetz:
Die gesetzlichen Feiertage werden als Tage der Arbeitsruhe und seelischen Erhebung nach Maßgabe dieses Gesetzes geschützt.
Weder Arbeitsruhe noch seelische Erhebung sind religiöse Konzepte. Daher kann Weihnachten als gesetzlicher Feiertag überhaupt nicht im Gegensatz zu dem Glauben der Zeugen Jehovas stehen. Wenn der Gesetzgeber an diesem Tag Arbeitsruhe verlangt, dann werden Zeugen Jehovas dem nachkommen ohne dass ihre religiösen Grundsätze im geringsten angetastet werden.

Sollte allerdings ein Gesetzgeber auf die Idee kommen, die Beteiligung an religiösen Bräuchen, die mit dem kirchlichen Fest verbunden sind, für diesen Tag verbindlich zu machen (was nach heutiger Gesetzeslage natürlich ausgeschlossen ist), dann würden Zeugen Jehovas sich dem verweigern, denn andernfalls müssten sie ihre Grundsätze übertreten.

Und das ist nicht so weit hergeholt. Die meisten deutschen Bundesländer haben in ihrem jeweiligen Feiertagsgesetz neben den gesetzlichen Feiertagen auch kirchliche Feiertage. So enthält das niedersächsische Feiertagsgesetz ab dem §7 entsprechende Regelungen für katholische und evangelische Feiertage. An diesen Tagen bekommen nur die Arbeitnehmer frei, die den Gottesdienst ihrer entsprechenden Kirche besuchen. An derartigen Veranstaltungen nehmen Zeugen Jehovas logischerweise nicht teil und bekommen daher auch nicht frei.

Wieso bekomme ich Weihnachtsgeld?

Ähnlich ist es mit dem Weihnachtsgeld. Dahinter steht kein religiöser Brauch, sondern es handelt sich (bei mir) um einen Teil des normalen Gehalts, das jeweils zu 50% im Juli und Dezember zusätzlich zum Monatsgehalt ausgezahlt wird.

Bei anderen handelt es sich um eine Prämie für True zur Firma und gute Arbeit, die bei entsprechender Geschäftslage an die Mitarbeiter ausgezahlt wird. Aber auch hier gibt es wieder keinerlei religiösen Bezug.

Dass diese Prämie oder Gehalt im Volksmund "Weihnachtsgeld" genannt wird, macht aus dem Geld keinen religiösen Brauch. Daher haben Zeugen Jehovas kein Problem mit dem Geld, bloß weil "Weihnachten" darauf steht. Anders wäre es natürlich auch hier, wenn das Geld aus einem religiösen Grund gezahlt wird. Aber einen derartigen Grund könnte ich mir (in Deutschland) nicht einmal ansatzweise vorstellen. (Vorstellbar wäre in einer anderen Kultur z.B. dass es eine religiöse Vorschrift gibt, die den Arbeitgeber dazu bringt, seinen Beschäftigten Geld zu schenken und die den Arbeitnehmer dazu verpflichtet dieses Geld anzunehmen, aber ehrlich gesagt kenne ich keine Religion, die derartiges praktiziert.)

Fazit

Die o.g. Kritik an Zeugen Jehovas beruht einzig darauf, dass die entsprechenden Kritiker keine Ahnung haben, warum Zeugen Jehovas kein Weihnachten feiern und den Unterschied zwischen gesetzlichen sowie kirchlichen Feiertagen nicht kennen. Wenn man weiß, warum Zeugen Jehovas kein Weihnachten feiern, dann entpuppt sich der Vorwurf als haltlos.

Interessant wäre bloß noch, wie diese Menschen auf diesen Vorwurf kommen. Bloße Unwissenheit kann es nicht sein; es ist vielmehr der Wille notwendig, sich nicht zu informieren und gleichzeitig anderen aufgrund des eigenen Unwissens Heuchelei zu unterstellen - eine Kombination, die diese Personen nicht unbedingt liebenswert macht, allein schon, weil sie doch bloß mal einen Zeugen Jehovas hätten fragen müssen, um eine vernünftige Antwort zu bekommen.

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