Mittwoch, 11. Januar 2012
(Un-)Logik und Bibelbund
Eine beliebte Methode, unliebsame Meinungen zu diskreditieren, besteht darin, diese in der Öffentlichkeit falsch darzustellen. Wenn es um die Glaubenslehre der Zeugen Jehovas geht, dann wird dieser Weg gerne beschritten. Der Bibelbund hat z.B. in seinem Newsletter folgendermaßen über Zeugen Jehovas berichtet:
Nach der Lehre der Zeugen Jehovas ist die Wachtturmgesellschaft Gottes sichtbare Organisation auf Erden.

[...]

Welchen Stellenwert die Organisation im Leben der Zeugen hat, zeigt ihre eigene Literatur sehr deutlich. Das Titelbild und die Überschrift eines Studienartikels im Wachtturm vom 01.06.79 lauten: "DER GLAUBE AN JEHOVAS SIEGREICHE ORGANISATION".

Jesus sagte jedoch einmal, wir sollten an Gott und an ihn glauben, von einem Glauben an eine Organisation hat er nichts gesagt! (Jh. 14,1)1. So macht sich eine Organisation Gott gleich.
Der erste Fehler hierbei besteht darin, dass Zeugen Jehovas nicht glauben, dass die Wachtturmgesellschaft "Gottes sichtbare Organisation auf Erden" ist. Vielmehr glauben sie, dass dies die "weltweite Christenversammlung" ist, ein Ausdruck, den man (bei anderer konfessioneller Zugehörigkeit) auch mit den Worten "katholische Kirche" oder "allumfassende Kirche" sinngemäß benennen könnte. Natürlich haben Zeugen Jehovas eine andere Meinung über die Identität dieser Kirche2, aber das ist überhaupt nicht Kernpunkt der Kritik; kritisiert wird vielmehr, dass Zeugen Jehovas meinen, dass Glaube nicht nur an Gott und Christus notwendig ist, sondern auch an eine irdische Instanz.

Und hier sieht man dann auch schön, wie der Bibelbund (bzw. die Autorin S. Raquet) sich mit diesem Argument ins Knie schießt, denn wie heißt es so schön in dem "apostolischen" Glaubensbekenntnis?
Ich glaube an [...] die heilige katholische Kirche,...
Ich gehe davon aus, dass auch die Autorin und der Bibelbund dieses Glaubensbekenntnis prinzipiell gutheißen. Wenn wir dann das o.g. Argument gegen Zeugen Jehovas mit dieser Aussage des Glaubensbekenntnisses durchexerzieren, dann kommen wir auf folgenden Satz:
Jesus sagte jedoch einmal, wir sollten an Gott und an ihn glauben, von einem Glauben an eine [heilige katholische Kirche] hat er nichts gesagt! (Jh. 14,1). So macht sich [die Kirche] Gott gleich.
In dieser Form würde jeder katholische Christ diesen Satz zurecht als Frechheit empfinden (und wenn man "katholisch" durch "christlich" ersetzt, dann auch jeder evangelische Christ;o). Da aber in der Glaubenslehre der Zeugen Jehovas "Gottes irdische Organisation" nichts weiter ist als die "weltumspannende christliche Kirche", können Zeugen Jehovas die o.g. Formulierung mit dem gleichen Recht als Verdrehung ihres Glaubens zurückweisen.

Wer bis hier mitgedacht hat, der kann sehen, dass der Sinn des Vorwurfs darin besteht, dass nicht nur die Glaubenslehre der Zeugen Jehovas (wie üblich) falsch dargestellt wurde, sondern auch darin, dass ein Argument benutzt wird, dass die Autorin nicht ernst meinen kann, ohne den eigenen Glauben zu negieren: einmal mehr wird die Logik verabschiedet, wenn man denn nur Zeugen Jehovas eins auswischen kann.
1 "Ihr glaubt an Gott, glaubt auch an mich!"

2 Zeugen Jehovas glauben natürlich, dass diese Kirche aus Zeugen Jehovas besteht, während die trinitarischen Kirchen meist glauben, dass es sich um eine Untermenge aller trinitarischen Konfessionen handelt.

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