Sonntag, 6. Mai 2012
3.Mose 11,20ff: Insektenfüße und Sonnenuntergang
hgp, 14:02h
Heuschrecke Quell: Wikipedia (Klick auf Bild) |
Das ist eher unwahrscheinlich, dass die Juden nicht mitkriegten, wie viele Füße Insekten haben. Die Passage besagt, dass die genannten Heuschrecken gegessen werden durften (und daher auch wahrscheinlich gegessen wurden). Bevor uns jetzt bei dem Gedanken das Frühstück wieder hochkommt, zur Erinnerung, was deine (Ur-)Großeltern so aßen:
Noch bis Mitte des 20. Jahrhunderts wurden Maikäfer nicht nur als Hühnerfutter genutzt, sondern fanden auch in der Küche Verwendung. In Frankreich und Teilen Deutschlands wurden sie geröstet und zu Maikäfersuppe verarbeitet. In Konditoreien waren sie verzuckert oder kandiert als Nachtisch zu haben.
Maikäfer (in der Darstellung auch mit vier Füßen!) Quell: Wikipedia (Klick auf Bild) |
Als Beispiel kann die Frage dienen: Wann hast du das letzte mal einen Sonnenuntergang beobachtet? Überlege genau und frage lieber deinen Anwalt, bevor du eine Antwort gibst, denn ganz egal, welches Datum du nennst, es ist falsch! Woher weiß ich das? Ganz einfach: die Sonne kreist nicht um die Erde, und kann daher weder auf- noch untergehen.
Trotzdem benutzen Astronomen genau wie du und ich bis heute den Begriff "Sonnenuntergang", obwohl sie wissen, dass er nicht die physikalische Realität wiedergibt. Wieso tun sie das? Wahrscheinlich weil es wesentlichen einfacher ist vom "Sonnenuntergang" zu reden, als davon, dass die Sonne den örtlichen Horizont unterschreitet. Und jeder weiß was gemeint ist und keiner glaubt, dass er aus dem Wort "Sonnenuntergang" ein geozentrisches Weltbild ableiten kann.
Bei den Insekten, die "auf vier Füßen gehen", ist etwas ähnliches passiert. Im althebräischen bedeutete der Ausdruck "auf vier Füßen gehen" nichts anderes als "sich wie ein Landtier fortbewegen", wie wir es z.B. in der Stuttgarter Erklärungsbibel in der erklärung zu 3.Mose 11, 20-23 finden (Hervorhebung von mir):
Die vier Füße wollen nicht wörtlich genommen werden. Die Insekten werden ... als geflügelte Wesen behandelt, die sich auf der Erde "auf allen vieren", d.h. wie Landtiere, fortbewegen.Der Ausdruck war also ähnlich wie Sonnenuntergang lediglich ein Idiom , welche die Fortbewegungsart der Insekten beschrieb und keine genaue Anzahl an Beinen vorgab. Wer etwas anderes behauptet, der müsste erklären, wie genau es möglich sein soll, dass die Juden im jahrhundertelangen Kontakt mit Insekten nie in der Lage gewesen sein sollen, die Füße einmal zu zählen.
Angesichts dessen, dass der Ausdruck einfach als Idiom erkennbar ist, wieso bestehen dann einige darauf, dass man ihn wörtlich nimmt? Nun der Trick ist einfach: Dann kann man einfach sagen: Schau, die Bibel enthält in so einfachen Fragen bereits falsche Informationen, also kann man ihr nicht trauen. Wenn ich herausfinde, dass jemand dort falsch informiert, wo ich es überprüfen kann, dann traue ich ihm natürlich nicht, wo ich seine Behauptungen nicht prüfen kann. Und wenn die Bibel schon nicht weiß, wie viele Füße ein Insekt hat, wie kann ich ihr trauen, wenn sie mir dann etwas über Gott und die Ewigkeit erzählt?
Wer nichts von Gott hören will (und viele wollen das nicht), für den ist es einfacher, hier auf einem wortwörtlichen Verständnis eines idiomatischen Ausdrucks zu bestehen. Dabei schaffen sie sich das Problem, dass sie in diesem Punkt anders denken und handeln als sonst. Im normalen Leben lehnen sie nicht jeden als unwissenschaftlich ab, der das Wort "Sonnenuntergang" benutzt, sondern sie sind problemlos in der Lage, zwischen Idiomen und Falschinformationen zu unterscheiden, weil sie genau hinhören und den Kontext des gesagten in Betracht ziehen. Aber wenn sie sich der Bibel zuwenden, dann fordern sie auf einmal, dass jedes Wort (übertrieben gesprochen) selbsterklärend sein muss.
Damit stellen sie eine Forderung, die keine Sprache der Menschheit erfüllen kann; denn jede Sprache besteht aus Worten und Worte sind nun einmal Symbole, die interpretiert werden müssen. Es ist technisch unmöglich, einen Satz zu verstehen, ohne die einzelnen Worte in einen Sinn zu "übersetzen". Jeder normal intelligente Mensch kann das. Und normalerweise ist man auch in der Lage, den Unterschied zwischen wortwörtlich gemeintem, Metaphern und idiomatischen Ausdrücken zu verstehen, wenn man sich denn mit dem Inhalt und dem Kontext auseinandersetzt. Aber es gibt Menschen, die genau diese Auseinandersetzung nicht haben wollen, und daher ein "Instantverstehen" beanspruchen, dass ohne eigenes Nachdenken funktioniert. Aber ohne nachdenken gibt es kein Verstehen: Eine schöne selbsterfüllende Prophezeiung für diejenigen, die nichts verstehen wollen.
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