Mittwoch, 17. April 2013
Das Kreuz mit den Zeugen Jehovas (4): Der "Gekreuzigte" von Giv'at Ha-Mivtar
hgp, 22:04h
Es ist wieder so weit. Die überragenden Beweise zeigen, dass stauros sich auf ein Kreuz1 beziehen muss. Dies sagt uns zum einen die allgemeine Volksweisheit auf diversen Foren und Blogs und andererseits natürlich auch die Experten. Und diesmal gibt es sogar einen archäologischen Beweis: in Giv'at Ha-Mivtar wurden die Überreste eines Menschen gefunden, die eindeutig belegen, dass er gekreuzigt wurde. So kann ich lesen:
Nun bin ich leider Mitglied im V³; in meiner querköpfigen Art geht es mir daher gegen den Strich, nicht Recht zu haben4. Daher werde ich den mehrfach geäußerten Rat befolgen und selber etwas recherchieren. Danach kann ich selber beurteilen, ob ich wirklich einfach nur zu stur bin oder ob die Beweise schwach sind. Du wirst als aufmerksamer Leser vielleicht auch die eine oder andere Lektion darüber lernen, wie man mit den Texten von echten Experten umgehen muss.
Ich will erst einmal damit anfangen, die Geschichte des Fundes von Giv'at Ha-Mivtar zu betrachten. Kurz nach dem Sechstagekrieg fing Israel im Jahre 1968 hier an, eine neue Wohnsiedlung zu bauen. Dabei wurde eine Grabanlage freigelegt, die mehrere unterirdische Grabkammern mit Ossuaren enthielt. Der vierte Ossuar in Grabkammer eins (der uns in diesem Zusammenhang interessiert) enthielt nach dem Bericht aus dem Jahr 1970 die Überreste eines toten Mannes Mitte zwanzig und eines ca. dreijährigen Kindes. Die Überreste des Mannes zeigen Spuren, die auf eine "Kreuzigung" zurückgeführt werden, d.h. auf eine Hinrichtung an einem stauros. Die Aufschrift auf dem Ossuar lautete: "Jehohannan Ben Hagqol(?)", wobei das letzte Wort (Name des Vaters des Toten) anscheinend Probleme bei der Rekonstruktion bereitete. Man geht davon aus (und ich sehe keinen Grund, daran zu zweifeln), dass diese Aufschrift den Namen des toten Mannes wiedergibt5.
Im Jahr 1970 wurden diese Funde dann in der Fachzeitschrift Israel Exploration Journal veröffentlicht. J. Naveh schrieb einen Artikel zu den Inschriften auf den Ossuaren und N. Haas beschrieb die Knochen der Begrabenen. Besonders breiten Raum nahm dabei die Beschreibung des "Gekreuzigten" ein, dessen Hinrichtung er wie nebenan abgebildet rekonstruierte.
Damit scheint alles klar zu sein: Es gibt einen archäologischen Fund, und der Fachmann, der mit der Untersuchung betraut war, hat anhand der vorliegenden Daten eine Form des stauros rekonstruiert, die eindeutig kreuzförmig ist und nicht das Aussehens eines Pfahls hat, wie Zeugen Jehovas behaupten.
Allerdings ist die Geschichte hier noch lange nicht zu Ende. Haas beschrieb in seinem Aufsatz ausführlich die Schwierigkeiten bei seiner Arbeit an diesem Fund (S. 49-51):
Ich will dich hier nicht mit den Details der untersuchten Knochen langweilen, du hast diese ja sowieso schon in dem verlinkten Artikel nachgelesen. Wichtig für uns ist hier, dass Haas anhand des ihm vorliegenden Materials in der Lage war, die Hinrichtung wie bereits gezeigt zu rekonstruieren. Bis heute wird seine Rekonstruktion von einigen im Internet als korrekt weiter verbreitet (hier, hier, hier und hier zum Beispiel). Und jetzt eine Fangfrage an dich (insbesondere, wenn du einen Beleg für die Kreuzform suchst): Würdest du den Artikel als Beleg zitieren? Auf den ersten Blick scheint nichts dagegen zu sprechen. Der Artikel wurde von einem Fachmann geschrieben, der die Funde selber untersucht hat, der Artikel wurde in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht und ist damit erst einmal grundsätzlich glaubwürdig. Daher überrascht es mich auch nicht, dass so viele diesem Artikel vertrauen, von Hellmund über die oben zitierten Laien bis hin zum Exegetischen Wörterbuch zum Neuen Testament, dass diesen Artikel 1983 als Beleg für die Kreuzform des stauros anführte.
Warum reite ich darauf herum? Aus dem einfachen Grund, dass Haas' Rekonstruktion in vielen Details falsch ist. Das wissen wir nicht daher, dass ich schlauer bin als der Fachmann, der die Untersuchung durchführte, sondern daher, dass in der gleichen Fachzeitschrift im Jahre 1985 ein weiterer Artikel zu diesem Thema veröffentlicht wurde, in dem J. Zias und E. Sekeles eine größere Reihe von Fehlern in der ursprünglichen Untersuchung aufdeckten. Diese Beiden waren 1968 an den Untersuchungen der Gräber von Giv'at Ha-Mivtar beteiligt und kannten den Fund daher ebenfalls aus eigener Anschauung. Sie nannten u.a. folgende wesentlichen Fehler und Fehlerursachen:
Diese Fehler führten nun zu einigen teils dramatischen Änderungen der Rekonstruktion der Hinrichtung, so wie in der nebenstehenden Abbildung gezeigt. So musste die Lage der Beine komplett geändert werden. Die Arme sind jetzt als angebunden und nicht als angenagelt dargestellt. Ein Stützbrett (sedile) war jetzt nicht mehr nötig. Alles in allem sind sowohl die Details als auch der Gesamteindruck der Rekonstruktion anders.
Das heißt natürlich nicht, dass Haas hier etwas fälschen wollte oder gegen irgendeine Form wissenschaftlicher Ethik verstoßen hätte. Die Fehler sind mit den widrigen äußeren Umständen hinreichend erklärbar. Interessant ist aber die Frage: Was wäre, wenn Zias und Sekeles 1968 nicht Zugang zu den untersuchten Artefakten gehabt hätten und nicht 1985 ihren Artikel veröffentlicht hätten? Hätten wir dann die Rekonstruktion von Haas nicht anzweifeln dürfen, weil er der Fachmann ist und den Fund eigenhändig untersucht hatte?
Unser heutiges Wissen sagt uns, dass es zulässig ist, die Ergebnisse von Haas anzuzweifeln. Da seine Rekonstruktion objektiv falsch war, ist es richtig, sie nicht zu übernehmen, ohne sie zu hinterfragen. Aber diese Aussage gilt natürlich auch für den Zeitraum von 1970 bis 1985, in dem wir das noch nicht durch einen Fachartikel bestätigt bekommen hatten. Auch damals war die Rekonstruktion falsch.
Dieser Fall lehrt uns mehrere Dinge in Bezug auf Fachleute und ihre Fachmeinung. Auch Fachleute können sich irren. Ihre Irrtümer können teilweise Jahrzehnte in Fachzeitschriften unentdeckt als aktuelles Fachwissen herumliegen, ohne dass sie widerlegt werden. Daher ist es unzureichend, einfach den Fachleuten zu vertrauen, wenn man sich nicht auch ihre Argumente anschaut und ihr Vorgehen geprüft hat.
Außerdem zeigen uns die Zitate vom Anfang der Seite, dass derartige Fehler auch noch über Jahrzehnte munter weiter verbreitet werden, nachdem der Fehler aufgedeckt worden ist. Es reicht nicht, einfach nur einen Fachartikel zu finden, der meine Meinung stützt. Auch hier muss man zum einen schauen, ob es nicht sonst noch einige Artikel zum Thema gibt und man muss auch hier vor allem wieder die Argumente selber prüfen. Wer heute in das Exegetische Wörterbuch zum Neuen Testament schaut, wird dort weiterhin die objektiv falsche Fachmeinung von Haas als Grundlage finden6.
So weit so gut, aber wenn du zu denen gehörst, die die Kreuzform des stauros für die richtige halten, dann hüpfst du jetzt sicher schon ungeduldig auf und ab, und willst mir zurufen: "Schau dir die Rekonstruktionen doch an! Es ist in beiden Fällen eine Kreuzform und kein Pfahl!" Und damit hast du recht. Da es nichts bringt, das offensichtliche abzuleugnen, will ich hier ausdrücklich zugeben, dass beide gezeigte Rekonstruktionen einen stauros mit Kreuzform zeigen.
War meine ganze Diskussion bis hierher Spiegelfechterei und ohne Einfluss auf die (für uns) eigentlich interessante Frage? Nein! Der Artikel von Zias und Sekeles zeigt etwas, dass uns hilft, die Rekonstruktionen des gezeigten stauros zu bewerten. Sie schreiben nämlich (auf S. 26):
Wir müssen da nicht selber raten. G. Samuelsson schreibt in seinem Buch Crucifixion in Antiquity auf Seite 297 genau zu dieser Frage:
Da dies für uns wichtig ist, will ich das noch einmal in Zeitlupe wiederholen: Allein die Anbringung der Füße an den stauros ist archäologisch gesichert. Die Frage, die uns interessiert (welche Form hat der stauros), können wir mit dem Fund nicht klären, da er zur Form des stauros keine sichere Aussage zulässt. Wenn die Rekonstruktion ein Kreuz zeigt, dann nicht deswegen, weil der Fund von Giv'at Ha-Mivtar dies nahelegt. Dieses Detail der Rekonstruktion stammt aus einer anderen Quelle.
Wenn wir uns also allein auf die Informationen beschränken, die der Fund von Giv'at Ha-Mivtar uns eröffnet, dann können wir uns die Hinrichtung Jesu wie nebenan abgebildet vorstellen8. Die Lage der Füße entspricht dem archäologischen Fund, die Anzahl der Nägel dem, was diverse Personen mit Hinblick auf Johannes 20,25 als korrekt ansehen, und außerdem wird ein Pfahl als Hinrichtungsinstrument gezeigt. Damit ist die erste zitierte Behauptung von Hellmund widerlegt: Niemand weiß, welche Form das Hinrichtungsinstrument von Giv'at Ha-Mivtar hatte; Hellmunds Behauptung, es handele sich um ein Kreuz, hat keine reale Grundlage in dem Fund und ist kein "Anschauungsunterricht dafür, dass Jesus nicht gepfählt wurde, wie die Zeugen Jehovas sagen - sondern dass er gekreuzigt wurde". Vielmehr lässt sich der Fund auf verschiedene Weisen interpretieren und kann genau so gut mit einem Kreuz wie mit einem Pfahl als Hinrichtungsinstrument in Übereinstimmung gebracht werden.
Die Erfahrung zwingt mich dazu, hier wieder auf das Offensichtliche hinzuweisen: Das Bild nebenan beweist natürlich nicht, dass Jesus exakt so wie dargestellt hingerichtet wurde. Es beweist vielmehr, dass es keine technische Schwierigkeit gibt, eine Hinrichtung an (1) einem Pfahl vorzunehmen, die exakt die gleichen Merkmale aufweist wie (2) einerseits in den Evangelienberichten beschrieben und (3) andererseits durch den Fund von Giv'at Ha-Mivtar nahegelegt. Damit habe ich gezeigt, dass die Aussage von Hellmund zu Anfang dieses Artikels falsch ist. Im Gegensatz zu seiner Behauptung ist es physikalisch sehr wohl möglich eine Hinrichtung an einem Pfahl ohne Querbalken durchzuführen.
Damit bleibt noch die Frage, woher Zias und Sekeles ihre historischen Quellen herhaben, nach denen sie die Kreuzform des stauros rekonstruieren9. Da sie diese nicht nannten, muss ich hier spekulieren. Aber im Prinzip gibt es hier nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie haben selber eine Untersuchung der historischen Quellen durchgeführt oder aber sie haben die entsprechenden Kenntnisse aus der Fachliteratur übernommen. Was davon ist wahrscheinlicher?
Von Samuelsson wissen wir, dass eine gründliche Untersuchung der historischen Quellen Jahre intensiver Arbeit bedeutet und die Ergebnisse auf mehreren Hundert Seiten präsentiert werden können. Da von Zias keine derartige Arbeit vorliegt, ist es sinnvoll anzunehmen, dass er sich eine derartige Mammutarbeit auch nicht gemacht hat (für Sekeles als Mediziner war das ohnehin das falsche Fachgebiet). Damit ist der Blick in das Fachlexikon die wahrscheinlichste Quelle für Zias und Sekeles. Das ist auch an sich gut und richtig, denn das ist ja der Sinn von Lexika. Deswegen mache ich Zias und Sekeles hier natürlich keinen Vorwurf. Niemand behauptet, dass sie unwissenschaftlich oder unehrlich vorgegangen wären. Sie haben sich einfach auf das verlassen, was sie als Fachwissen vorgefunden haben.
Wenn man sich aber wie wir hier die Frage stellen, ob der Inhalt der Lexika in diesem Punkt korrekt ist, dann ist es wichtig, dieses Detail zu wissen. Denn dann wird sofort klar, dass die gesamte Arbeit von Haas, Zias und Sekeles keine Relevanz in Bezug auf die Frage hat, ob im ersten Jahrhundert bei Hinrichtungen ein stauros mit Kreuzform verwendet wurde oder nicht. Denn sie haben die ganze Zeit bei ihren Arbeiten angenommen, dass die traditionelle Sicht korrekt ist und sich (wahrscheinlich) nie die Frage gestellt, welche Form ein stauros hat und haben daher die traditionelle Sichtweise als Grundlage für ihre Rekonstruktion verwendet. Dass ihre Rekonstruktion also die Kreuzform unterstützt, liegt nicht daran, dass der Fund von Giv'at Ha-Mivtar diese Form nahelegt, sondern dass sie die traditionelle Sichtweise zur Kreuzform des stauros korrekt verstanden haben.
Wer also jemand allein aus dem Ausdruck "Gekreuzigter", der häufig für diesen Fund verwendet wird oder aus den verwendeten Zeichnungen zur Rekonstruktion, schließen will, welche Form das Hinrichtungswerkzeug hatte, der macht einen offensichtlichen Fehler.
Wir konnten sehen, dass jede Behauptung von Hellmund zu dem Fund von Giv'at Ha-Mivtar falsch war. Neben einigen für uns unbedeutenden Details zeigt der Fund insbesondere in keiner Weise, dass ein Kreuz als Hinrichtungswerkzeug verwendet wurde und auch nicht dass ein Pfahl "physikalisch" nicht möglich ist. Daher hat sich Hellmund auch hier wieder als "Experte" ohne Sachkenntnis erwiesen.
Und zu guter Letzt konnten wir sehen, dass es durchaus möglich ist, dass man an einem Pfahl auf eine Weise hingerichtet wird, die dem Fund von Giv'at Ha-Mivtar entspricht. Es gibt daher keinen zwingenden Grund, diesen Fund als Beweis für die Verwendung von Kreuzen im ersten Jahrhundert anzusehen. Natürlich muss sich niemand daran hindern lassen, genau das zu glauben, wenn er will. Er kann sich aber einfach nicht auf diesen Fund als Beweis dafür stützen.
Zum Abschluss noch ein Detail, dass für diesen Artikel nicht relevant ist, aber das für die Frage "Kreuz oder Pfahl" im allgemeinen von Interesse ist: Der Fund von Giv'at Ha-Mivtar ist bis heute der einzige archäologische Fund von einer Hinrichtung an einem stauros. Mehr archäologisch gesichertes Wissen zu der Frage gibt es nicht. In einem medizinischen Fachartikel, der sich mit dem Tod Jesu beschäftigt, heißt es dazu:
[Weitere Artikel zum Thema]
1Wie immer bei diesem Thema will ich gleich zu Anfang darauf hinweisen, dass das "Kreuz" als Hinrichtungsinstrument Gegenstand des Artikels ist und nicht das Kreuz als "Symbol des Christentums". Ich bitte dich als vernünftigen Leser zwischen den beiden zu unterscheiden.
Das "Kreuz" als Hinrichtungsinstrument setze ich bewusst in Anführungszeichen, da ich ja die Frage bespreche, welche Form dieses Hinrichtungswerkzeug genau hatte. Diese Frage kann nicht allein durch eine bestimmte Benennung in modernen Publikationen geklärt werden. Relevant ist vielmehr der historische Befund.
2OK, das ist falsch: auf keinen Fall Fischotter wie ich....
3Unser aller Lieblingstheologe L. Gassmann hat sich anscheinend noch nicht zu diesem Fund geäußert. Das war eine weise Entscheidung, wie wir noch sehen werden.
4"Verband vorlauter Vischotter"; du musst zugeben, dass V³ besser aussieht als V²F.
5 Damit ist Hellmunds Behauptung, dass der Tote "unbekannt" sei, natürlich erst einmal fragwürdig. Nach den Informationen, die Hellmund benutzt, war der "Gekreuzigte" die einzige Person, auf die sich der Name beziehen konnte.
Nebenher ist die Behauptung Hellmunds falsch, dass die Überreste mehrerer Gekreuzigter
gefunden wurden. Es war exakt eine Person mit Spuren einer Hinrichtung an einem stauros..
6 Nämlich folgende:
7 Samuelsson fügt folgende Information hinzu:
8Das Bild habe ich zufällig in der spanischen Wikipedia gefunden. Es handelt sich um eine Darstellung durch einen mir unbekannten Künstler.
9Erlaubt mir noch einen spekulativen Gedanken: Wie man an den Bildern sehen kann, ist Haas' Rekonstruktion kompatibel mit den Evangelienberichten zu Jesu Tod (Nägel in den Händen/Armen), während die Rekonstruktion von Zias und Sekeles genau in diesem Detail (ausführlich begründet) eine Rekonstruktion bringen, die von den Evangelienberichten abweicht. Es ist durchaus möglich, dass dies eine Ursache dafür ist, dass viele, die das Kreuz als ihr religiöses Symbol nutzen, deswegen Zias nicht wahrnehmen und sich auf die falsche Rekonstruktion von Haas stützen.
Hier: den archäologischen Nachweis über die von den Römern praktizierte Kreuzigung zur Zeit der Antike brachte der Fund von Giv'at ha-Mivtar. Überzeuge Dich bitte selbst hiervon und prüfe nach.Aber nicht nur Fischotter wie du und ich2 sind dieser Meinung, auch "Experten" wie Dr. Hellmund3 (promovierter evangelischer Theologe) schreibt (Hervorhebungen von mir):
Hier: Die Aussage des Herrn Parsons wurde durch den Fund von Giv’at ha-Mivtar widerlegt. Die WTG-Schreiberlinge wissen aber wohl, daß ihr ihnen wiedereinmal veraltete Kernschrott-Thesen ungeprüft abnehmt und ungeprüft weitergebt. Ich kann Dich nur bitten: fang doch endlich an, wirklich zu prüfen, was Dir da vorgesetzt wird.
Hier: Zudem belegen auch archäologische Funde die Kreuzigung an einem Querbalken, so z.B. die 1968 in Giv’at ha-Mivtar entdeckten Knochenreste eines Mannes, der im 1. Jahrhundert gekreuzigt wurde.
Hier: Vergiss den Pfahl. Christus wurde gekreuzigt, so wie es zu der Zeit in Rom üblich war.Dafür gibt nicht nur historische sondern auch archeologische Beweise (Giv'at ha-Mivtar). Ich kann dir nur raten mal etwas zu recherchieren.
In diesen Zusammenhang gehört auch ein sensationeller Fund, den israelische Archäologen 1968 in der Nähe von Jerusalem bei Giv'at Hamivtar machten. Gefunden wurden in Grabeshöhlen Knochenreste von Gekreuzigten, darunter Fersenknochen, in denen noch ein rostiger Nagel steckte. Der von der Weltpresse kommentierte Fund wurde von der Hebräischen Universität Hadassa von einem Anthropologen und Anatom untersucht und bewertet. ...Damit wäre die Sache also geklärt: Im ersten Jahrhundert wurden Menschen am Kreuz hingerichtet und man kann daher davon ausgehen, dass Jesus auf die gleiche Art hingerichtet wurde. Zeugen Jehovas wollen einfach nicht die Fakten zur Kenntnis nehmen und tun daher so, als ob es diesen Beweis nicht gäbe.
Hier interessiert, dass das Opfer im 1. Jahrhundert an einem Kreuz starb, es war wohl zu beiden Seiten an einen aufrecht stehenden Pfahl genagelt worden. Doch wie war der restliche Körper am Pfahl befestigt? Unterstellt man, dass der Pfahl oben den Titulus trug (das Schild mit dem Todesurteil wie bei Jesus), dann war für angenagelte oder angebundene Hände kein Platz. Dann musste - anders ist das physikalisch nicht möglich - der Körper an einen Querbalken hängen. Die Arme seitlich oder rückwärts, aber so, dass sie den Körper fest hielten.
Der ungenannte Tote war nicht Jesus. Dennoch ist der traurige und schaurige Fund Anschauungsunterricht dafür, dass Jesus nicht gepfählt wurde, wie die Zeugen Jehovas sagen - sondern dass er gekreuzigt wurde. Fersenknochen mit Nagel bezeugen dies. Der Nagel durchbohrte seitlich - von rechts nach links (aber nicht von oben nach unten) den Fersenknochen.
Nun bin ich leider Mitglied im V³; in meiner querköpfigen Art geht es mir daher gegen den Strich, nicht Recht zu haben4. Daher werde ich den mehrfach geäußerten Rat befolgen und selber etwas recherchieren. Danach kann ich selber beurteilen, ob ich wirklich einfach nur zu stur bin oder ob die Beweise schwach sind. Du wirst als aufmerksamer Leser vielleicht auch die eine oder andere Lektion darüber lernen, wie man mit den Texten von echten Experten umgehen muss.
Ich will erst einmal damit anfangen, die Geschichte des Fundes von Giv'at Ha-Mivtar zu betrachten. Kurz nach dem Sechstagekrieg fing Israel im Jahre 1968 hier an, eine neue Wohnsiedlung zu bauen. Dabei wurde eine Grabanlage freigelegt, die mehrere unterirdische Grabkammern mit Ossuaren enthielt. Der vierte Ossuar in Grabkammer eins (der uns in diesem Zusammenhang interessiert) enthielt nach dem Bericht aus dem Jahr 1970 die Überreste eines toten Mannes Mitte zwanzig und eines ca. dreijährigen Kindes. Die Überreste des Mannes zeigen Spuren, die auf eine "Kreuzigung" zurückgeführt werden, d.h. auf eine Hinrichtung an einem stauros. Die Aufschrift auf dem Ossuar lautete: "Jehohannan Ben Hagqol(?)", wobei das letzte Wort (Name des Vaters des Toten) anscheinend Probleme bei der Rekonstruktion bereitete. Man geht davon aus (und ich sehe keinen Grund, daran zu zweifeln), dass diese Aufschrift den Namen des toten Mannes wiedergibt5.
Haas' Rekonstruktion des "Gekreuzigten" von Giv'at Ha-Mivtar |
Damit scheint alles klar zu sein: Es gibt einen archäologischen Fund, und der Fachmann, der mit der Untersuchung betraut war, hat anhand der vorliegenden Daten eine Form des stauros rekonstruiert, die eindeutig kreuzförmig ist und nicht das Aussehens eines Pfahls hat, wie Zeugen Jehovas behaupten.
Allerdings ist die Geschichte hier noch lange nicht zu Ende. Haas beschrieb in seinem Aufsatz ausführlich die Schwierigkeiten bei seiner Arbeit an diesem Fund (S. 49-51):
Although the remains were found to to be in a very poor state of preservation, they were easily diagnosed when the ossuary was opened. Concomitantly with the operation of classification, each fragment was carefully dehydrated and gradually impregnated in order to consolidate it. ...Zusammengefasst waren die Knochen in einem extrem schlechten Erhaltungszustand, die zu Anfang genaue Untersuchungen unmöglich machten. Da die Knochen nach vier Wochen wieder bestattet werden mussten, konnte Haas sich nur auf die Knochen konzentrieren, die unmittelbare Spuren der Hinrichtung zeigten, da vernünftige Arbeiten zur Erhaltung ca. drei bis vier Monate gedauert hätten. Haas schreibt, dass die Überreste, die Spuren der "Kreuzigung" zeigen, in einem Museum aufbewahrt werden; wie wir noch sehen werden, widersprechen ihm andere Quellen hier.
In the first stage of consolidation, the state of the bones permitted only percarious manipulation; they preserved for two or three weeks their original form without deformation or decay; a further preparation allowing for permanent preservation required supplemantary work of 3-4 months.
The short time at our disposal prior to reburial of the remains, four weeks in all, imposed a severe selection of priorities. Extensive preparations for treating the skeletal material being impossibla, we placed priority on the bones directly related to the crucifixion. The fragile condition of the bones in the first stage of preparation delayed measurement and photography for some time. Even in the final stages, only measurements were successfully taken. Solely the bones showing marks of crucifixion could adequately be photographed after considerable preparation. ... These latter remains are presently in the custody of the Israel Museum (Rockefeller section), and are the only extant remains from antiquity known to be evidence of a crucifixion.
Ich will dich hier nicht mit den Details der untersuchten Knochen langweilen, du hast diese ja sowieso schon in dem verlinkten Artikel nachgelesen. Wichtig für uns ist hier, dass Haas anhand des ihm vorliegenden Materials in der Lage war, die Hinrichtung wie bereits gezeigt zu rekonstruieren. Bis heute wird seine Rekonstruktion von einigen im Internet als korrekt weiter verbreitet (hier, hier, hier und hier zum Beispiel). Und jetzt eine Fangfrage an dich (insbesondere, wenn du einen Beleg für die Kreuzform suchst): Würdest du den Artikel als Beleg zitieren? Auf den ersten Blick scheint nichts dagegen zu sprechen. Der Artikel wurde von einem Fachmann geschrieben, der die Funde selber untersucht hat, der Artikel wurde in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift veröffentlicht und ist damit erst einmal grundsätzlich glaubwürdig. Daher überrascht es mich auch nicht, dass so viele diesem Artikel vertrauen, von Hellmund über die oben zitierten Laien bis hin zum Exegetischen Wörterbuch zum Neuen Testament, dass diesen Artikel 1983 als Beleg für die Kreuzform des stauros anführte.
Warum reite ich darauf herum? Aus dem einfachen Grund, dass Haas' Rekonstruktion in vielen Details falsch ist. Das wissen wir nicht daher, dass ich schlauer bin als der Fachmann, der die Untersuchung durchführte, sondern daher, dass in der gleichen Fachzeitschrift im Jahre 1985 ein weiterer Artikel zu diesem Thema veröffentlicht wurde, in dem J. Zias und E. Sekeles eine größere Reihe von Fehlern in der ursprünglichen Untersuchung aufdeckten. Diese Beiden waren 1968 an den Untersuchungen der Gräber von Giv'at Ha-Mivtar beteiligt und kannten den Fund daher ebenfalls aus eigener Anschauung. Sie nannten u.a. folgende wesentlichen Fehler und Fehlerursachen:
- Die Länge des gefundenen Nagels wurde von Haas deutlich zu groß angegeben
- An dem Nagel war lediglich der Überrest eines Fersenknochen zu finden und nicht von zweien
- An diversen Stellen wurde rechts und links am Skelett verwechselt
- Die Spuren am Unterarmknochen, die Haas für Nagelspuren hielt, kamen auch an anderen Stellen vor, an denen garantiert kein Nagel bei einer Kreuzigung benutzt worden war
- Haas hatte die Überreste eines weiteren erwachsenen Mannes nicht erwähnt, der in dem gleichen Ossuar bestattet war.
- Die Oberschenkelknochen wurden nicht während der Hinrichtung gebrochen sondern vielmehr nach dem Tod
- Aufgrund des Drängens der "religiösen Autoritäten" (d.h. der zuständigen Rabbiner) auf Wiederbestattung, mussten die Untersuchungen in größter Eile erfolgen
- Aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands konnte Haas das Thema nicht weiter bearbeiten
Rekonstruktion von Zias und Sekeles |
Das heißt natürlich nicht, dass Haas hier etwas fälschen wollte oder gegen irgendeine Form wissenschaftlicher Ethik verstoßen hätte. Die Fehler sind mit den widrigen äußeren Umständen hinreichend erklärbar. Interessant ist aber die Frage: Was wäre, wenn Zias und Sekeles 1968 nicht Zugang zu den untersuchten Artefakten gehabt hätten und nicht 1985 ihren Artikel veröffentlicht hätten? Hätten wir dann die Rekonstruktion von Haas nicht anzweifeln dürfen, weil er der Fachmann ist und den Fund eigenhändig untersucht hatte?
Unser heutiges Wissen sagt uns, dass es zulässig ist, die Ergebnisse von Haas anzuzweifeln. Da seine Rekonstruktion objektiv falsch war, ist es richtig, sie nicht zu übernehmen, ohne sie zu hinterfragen. Aber diese Aussage gilt natürlich auch für den Zeitraum von 1970 bis 1985, in dem wir das noch nicht durch einen Fachartikel bestätigt bekommen hatten. Auch damals war die Rekonstruktion falsch.
Dieser Fall lehrt uns mehrere Dinge in Bezug auf Fachleute und ihre Fachmeinung. Auch Fachleute können sich irren. Ihre Irrtümer können teilweise Jahrzehnte in Fachzeitschriften unentdeckt als aktuelles Fachwissen herumliegen, ohne dass sie widerlegt werden. Daher ist es unzureichend, einfach den Fachleuten zu vertrauen, wenn man sich nicht auch ihre Argumente anschaut und ihr Vorgehen geprüft hat.
Außerdem zeigen uns die Zitate vom Anfang der Seite, dass derartige Fehler auch noch über Jahrzehnte munter weiter verbreitet werden, nachdem der Fehler aufgedeckt worden ist. Es reicht nicht, einfach nur einen Fachartikel zu finden, der meine Meinung stützt. Auch hier muss man zum einen schauen, ob es nicht sonst noch einige Artikel zum Thema gibt und man muss auch hier vor allem wieder die Argumente selber prüfen. Wer heute in das Exegetische Wörterbuch zum Neuen Testament schaut, wird dort weiterhin die objektiv falsche Fachmeinung von Haas als Grundlage finden6.
So weit so gut, aber wenn du zu denen gehörst, die die Kreuzform des stauros für die richtige halten, dann hüpfst du jetzt sicher schon ungeduldig auf und ab, und willst mir zurufen: "Schau dir die Rekonstruktionen doch an! Es ist in beiden Fällen eine Kreuzform und kein Pfahl!" Und damit hast du recht. Da es nichts bringt, das offensichtliche abzuleugnen, will ich hier ausdrücklich zugeben, dass beide gezeigte Rekonstruktionen einen stauros mit Kreuzform zeigen.
War meine ganze Diskussion bis hierher Spiegelfechterei und ohne Einfluss auf die (für uns) eigentlich interessante Frage? Nein! Der Artikel von Zias und Sekeles zeigt etwas, dass uns hilft, die Rekonstruktionen des gezeigten stauros zu bewerten. Sie schreiben nämlich (auf S. 26):
In reconstructing the crucifixion we have used skeletal evidence which was available in conjunction with observations by Haas, Barbet and the ancient historical sources.Dieser Hinweis ist für uns extrem wichtig: Die gezeigte Rekonstruktion von Zias und Sekeles beruht nur zum Teil auf dem eigentlichen Fund und zum Teil auf nicht näher genannten "historischen Quellen". Somit müssen wir uns fragen, welche Teile der Rekonstruktion beruhen auf dem Fund und sind damit archäologisch gesichert und welche Teile der Rekonstruktion beruhen auf anderen Quellen? Welche Quellen sind das?
Bei der Rekonstruktion der Kreuzigung benutzten wir Beweise aus den vorliegenden Skelett-Teilen zusammen mit Beobachtungen von Haas und Barbet sowie antiken historische Quellen
Wir müssen da nicht selber raten. G. Samuelsson schreibt in seinem Buch Crucifixion in Antiquity auf Seite 297 genau zu dieser Frage:
The heel-bone is only evidence that one male in the mid- to late 20s somehow had one of his heels pierced by a nail during the first century C.E. .... Beyond the heel-bone, there are only texts.7Zias und Sekeles beschreiben (auf Seite 26) ausführlich, dass sie (größtenteils ungenannte) Quellen benutzt haben, um die Lage der Arme des Opfers während der Hinrichtung und die Form des stauros zu rekonstruieren, sowie um zu schlussfolgern, dass wahrscheinlich die Arme bzw. Hände nicht mit Nägeln befestigt waren.
Darstellung der Hinrichtung Jesu |
Wenn wir uns also allein auf die Informationen beschränken, die der Fund von Giv'at Ha-Mivtar uns eröffnet, dann können wir uns die Hinrichtung Jesu wie nebenan abgebildet vorstellen8. Die Lage der Füße entspricht dem archäologischen Fund, die Anzahl der Nägel dem, was diverse Personen mit Hinblick auf Johannes 20,25 als korrekt ansehen, und außerdem wird ein Pfahl als Hinrichtungsinstrument gezeigt. Damit ist die erste zitierte Behauptung von Hellmund widerlegt: Niemand weiß, welche Form das Hinrichtungsinstrument von Giv'at Ha-Mivtar hatte; Hellmunds Behauptung, es handele sich um ein Kreuz, hat keine reale Grundlage in dem Fund und ist kein "Anschauungsunterricht dafür, dass Jesus nicht gepfählt wurde, wie die Zeugen Jehovas sagen - sondern dass er gekreuzigt wurde". Vielmehr lässt sich der Fund auf verschiedene Weisen interpretieren und kann genau so gut mit einem Kreuz wie mit einem Pfahl als Hinrichtungsinstrument in Übereinstimmung gebracht werden.
Die Erfahrung zwingt mich dazu, hier wieder auf das Offensichtliche hinzuweisen: Das Bild nebenan beweist natürlich nicht, dass Jesus exakt so wie dargestellt hingerichtet wurde. Es beweist vielmehr, dass es keine technische Schwierigkeit gibt, eine Hinrichtung an (1) einem Pfahl vorzunehmen, die exakt die gleichen Merkmale aufweist wie (2) einerseits in den Evangelienberichten beschrieben und (3) andererseits durch den Fund von Giv'at Ha-Mivtar nahegelegt. Damit habe ich gezeigt, dass die Aussage von Hellmund zu Anfang dieses Artikels falsch ist. Im Gegensatz zu seiner Behauptung ist es physikalisch sehr wohl möglich eine Hinrichtung an einem Pfahl ohne Querbalken durchzuführen.
Damit bleibt noch die Frage, woher Zias und Sekeles ihre historischen Quellen herhaben, nach denen sie die Kreuzform des stauros rekonstruieren9. Da sie diese nicht nannten, muss ich hier spekulieren. Aber im Prinzip gibt es hier nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie haben selber eine Untersuchung der historischen Quellen durchgeführt oder aber sie haben die entsprechenden Kenntnisse aus der Fachliteratur übernommen. Was davon ist wahrscheinlicher?
Von Samuelsson wissen wir, dass eine gründliche Untersuchung der historischen Quellen Jahre intensiver Arbeit bedeutet und die Ergebnisse auf mehreren Hundert Seiten präsentiert werden können. Da von Zias keine derartige Arbeit vorliegt, ist es sinnvoll anzunehmen, dass er sich eine derartige Mammutarbeit auch nicht gemacht hat (für Sekeles als Mediziner war das ohnehin das falsche Fachgebiet). Damit ist der Blick in das Fachlexikon die wahrscheinlichste Quelle für Zias und Sekeles. Das ist auch an sich gut und richtig, denn das ist ja der Sinn von Lexika. Deswegen mache ich Zias und Sekeles hier natürlich keinen Vorwurf. Niemand behauptet, dass sie unwissenschaftlich oder unehrlich vorgegangen wären. Sie haben sich einfach auf das verlassen, was sie als Fachwissen vorgefunden haben.
Wenn man sich aber wie wir hier die Frage stellen, ob der Inhalt der Lexika in diesem Punkt korrekt ist, dann ist es wichtig, dieses Detail zu wissen. Denn dann wird sofort klar, dass die gesamte Arbeit von Haas, Zias und Sekeles keine Relevanz in Bezug auf die Frage hat, ob im ersten Jahrhundert bei Hinrichtungen ein stauros mit Kreuzform verwendet wurde oder nicht. Denn sie haben die ganze Zeit bei ihren Arbeiten angenommen, dass die traditionelle Sicht korrekt ist und sich (wahrscheinlich) nie die Frage gestellt, welche Form ein stauros hat und haben daher die traditionelle Sichtweise als Grundlage für ihre Rekonstruktion verwendet. Dass ihre Rekonstruktion also die Kreuzform unterstützt, liegt nicht daran, dass der Fund von Giv'at Ha-Mivtar diese Form nahelegt, sondern dass sie die traditionelle Sichtweise zur Kreuzform des stauros korrekt verstanden haben.
Wer also jemand allein aus dem Ausdruck "Gekreuzigter", der häufig für diesen Fund verwendet wird oder aus den verwendeten Zeichnungen zur Rekonstruktion, schließen will, welche Form das Hinrichtungswerkzeug hatte, der macht einen offensichtlichen Fehler.
Fazit
Als erstes stelle ich fest, dass die zu Anfang zitierte Aufforderung "selber nachzuprüfen" genau richtig war. Leider (oder glücklicherweise, je nach Sichtweise) war die daran geknüpfte Erwartung falsch, dass "nachforschen" einfach bedeutet, das man im Internet Sichtweisen erguhgelt, die Zeugen Jehovas nicht mögen. Vielmehr war es erforderlich, sich detailliert mit den Argumenten und Behauptungen von echten Fachleuten auseinanderzusetzen.Wir konnten sehen, dass jede Behauptung von Hellmund zu dem Fund von Giv'at Ha-Mivtar falsch war. Neben einigen für uns unbedeutenden Details zeigt der Fund insbesondere in keiner Weise, dass ein Kreuz als Hinrichtungswerkzeug verwendet wurde und auch nicht dass ein Pfahl "physikalisch" nicht möglich ist. Daher hat sich Hellmund auch hier wieder als "Experte" ohne Sachkenntnis erwiesen.
Und zu guter Letzt konnten wir sehen, dass es durchaus möglich ist, dass man an einem Pfahl auf eine Weise hingerichtet wird, die dem Fund von Giv'at Ha-Mivtar entspricht. Es gibt daher keinen zwingenden Grund, diesen Fund als Beweis für die Verwendung von Kreuzen im ersten Jahrhundert anzusehen. Natürlich muss sich niemand daran hindern lassen, genau das zu glauben, wenn er will. Er kann sich aber einfach nicht auf diesen Fund als Beweis dafür stützen.
Zum Abschluss noch ein Detail, dass für diesen Artikel nicht relevant ist, aber das für die Frage "Kreuz oder Pfahl" im allgemeinen von Interesse ist: Der Fund von Giv'at Ha-Mivtar ist bis heute der einzige archäologische Fund von einer Hinrichtung an einem stauros. Mehr archäologisch gesichertes Wissen zu der Frage gibt es nicht. In einem medizinischen Fachartikel, der sich mit dem Tod Jesu beschäftigt, heißt es dazu:
There has been just one archaeological case of crucifixion published to our knowledge.Das gleiche schrieb Samuelsson:
Beyond the heel-bone, there are only textsWer daher auch immer versuchen sollte, uns mehr als einen archäologischen Fund zu diesem Thema anzubieten (wie einige zu Anfang zitierte Blogonauten), und diese dann nicht benennen kann, den können wir ohne Umschweife in der Ablage für Scharlatane ablegen.
[Weitere Artikel zum Thema]
1Wie immer bei diesem Thema will ich gleich zu Anfang darauf hinweisen, dass das "Kreuz" als Hinrichtungsinstrument Gegenstand des Artikels ist und nicht das Kreuz als "Symbol des Christentums". Ich bitte dich als vernünftigen Leser zwischen den beiden zu unterscheiden.
Das "Kreuz" als Hinrichtungsinstrument setze ich bewusst in Anführungszeichen, da ich ja die Frage bespreche, welche Form dieses Hinrichtungswerkzeug genau hatte. Diese Frage kann nicht allein durch eine bestimmte Benennung in modernen Publikationen geklärt werden. Relevant ist vielmehr der historische Befund.
2OK, das ist falsch: auf keinen Fall Fischotter wie ich....
3Unser aller Lieblingstheologe L. Gassmann hat sich anscheinend noch nicht zu diesem Fund geäußert. Das war eine weise Entscheidung, wie wir noch sehen werden.
4"Verband vorlauter Vischotter"; du musst zugeben, dass V³ besser aussieht als V²F.
5 Damit ist Hellmunds Behauptung, dass der Tote "unbekannt" sei, natürlich erst einmal fragwürdig. Nach den Informationen, die Hellmund benutzt, war der "Gekreuzigte" die einzige Person, auf die sich der Name beziehen konnte.
Nebenher ist die Behauptung Hellmunds falsch, dass die Überreste mehrerer Gekreuzigter
gefunden wurden. Es war exakt eine Person mit Spuren einer Hinrichtung an einem stauros..
6 Nämlich folgende:
Die Kreuzigung Jesu wird der damals offenbar üblichen Kreuzigungsweise (vgl. für Palästina jetzt auch den Fund von Giv’at ha-Mivtar) an einem Pfahl mit Querbalken, und zwar eher an einer crux commissa (also an einem T-förmigen Kreuz) entsprochen haben. (Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. 3, S. 640)Man beachte das Wort "offenbar", dass die Unsicherheit dieser Meinung andeutet.
7 Samuelsson fügt folgende Information hinzu:
The heel-bone is in fact evidence that contradicts the well-defined traditional view of crucifixion, since the nail was inserted from the side of the heel-bone. The common description of Jesus' nailed feet is that they were nailed to a footrest with one nail from above.Damit ist Hellmunds Behauptung, dass die Fersenknochen eine Kreuzigung belegen ebenfalls falsch. Wir können nicht nur sehen, dass eine Hinrichtung am Pfahl exakt wie in dem archäologischen Fund möglich ist; wir sehen auch, dass der Fund der traditionellen Darstellung der Kreuzigung widerspricht, bei der genau wie von Hellmund gesagt, der Nagel beide Füße von oben nach unten durchbohrt. Wieso er als "Experte" dies übersah, weiß ich auch nicht.
8Das Bild habe ich zufällig in der spanischen Wikipedia gefunden. Es handelt sich um eine Darstellung durch einen mir unbekannten Künstler.
9Erlaubt mir noch einen spekulativen Gedanken: Wie man an den Bildern sehen kann, ist Haas' Rekonstruktion kompatibel mit den Evangelienberichten zu Jesu Tod (Nägel in den Händen/Armen), während die Rekonstruktion von Zias und Sekeles genau in diesem Detail (ausführlich begründet) eine Rekonstruktion bringen, die von den Evangelienberichten abweicht. Es ist durchaus möglich, dass dies eine Ursache dafür ist, dass viele, die das Kreuz als ihr religiöses Symbol nutzen, deswegen Zias nicht wahrnehmen und sich auf die falsche Rekonstruktion von Haas stützen.
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