Donnerstag, 15. April 2010
Jesus = Jehova? (I): 1.Korinther 10,9
hgp, 18:18h
Ein Kritiker der Neuen-Welt-Übersetzung (NWÜ) behandelt die Frage, ob im "Neuen Testament" der Name Gottes benutzt werden sollte und kommt bezüglich der NWÜ zu folgendem Ergebnis:
Die NWÜ beruht im wesentlichen auf dem Text von Westscott und Hort, der hier das Wort "kyrios" enthält. Bibeln, die auf dem Text von Nestle-Aland26 beruhen, übersetzen häufig "Christus", aber es gibt interessanterweise eine ganze Reihe Bibeln, die hier ebenfalls "Herr" schreiben:
Unser Kritiker hatte anscheinend die NWÜ vorliegen, da er aus der Begründung der Übersetzer für die Wiedergabe von "kyrios" mit "Jehova" zitiert. Allerdings hat er wesentliche Punkte des Vorgehens übersehen. Die Übersetzer haben nicht nur geprüft, ob im "NT" ganze Verse aus dem AT zitiert wurden, sondern auch ob Ausdrücke (z.B. "Engel Jehovas") oder Wendungen (z.B. "Jehova preisen") benutzt wurden, die im "AT" den Namen Gottes enthalten. Und hier wird man natürlich fündig:
Es ist natürliche eine andere Frage, ob man dieses Übersetzungsprinzip als solches bejaht oder ablehnt, aber das ist ein weiteres Thema.
Da Paulus in die gesamte Wüstenwanderung Revue passieren lässt und mit einigen Beispielen an die Geschehnisse erinnert, ist es auch gerechtfertigt, dass er ein Geschehnis ("die Kupferschlange") benennt und eine Redewendung benutzt, die mit einem weiteren Geschehnis ("Massa und Meriba") eng verknüpft ist.
Er wollte ja an alle Geschehnisse erinnern.
Zuerst ein mal muss ich daran erinnern, dass "Christus" nicht ein Name Jesu ist, sondern ein Adjektiv, dass nichts weiter als "gesalbt" bedeutet. Man könnte 1.Korinther 10,9 wörtlich übersetzen: "Lasst uns nicht den gesalbten prüfen..." Was macht das für einen Unterschied?
Nun in der Bibel wird nicht nur Jesus als "Gesalbter" bezeichnet sondern eine ganze Reihe anderer auch, so weit, dass der Ausdruck sich allgemein auf Personen beziehen kann, die von Gott besondere Vollmacht erhalten haben, wobei die Septuaginta jedesmal das Wort "christos" oder eine verwandte Wortform benutzt:
Was hat das aber nun mit unserem Text zu tun? Nun, unser Kritiker lässt ein wichtiges Detail aus, wenn er sagt: "In 4Mose 21,6-8[eigtl. 4-9] ist von Jahwe die Rede." Dort heißt es nämlich: "und das Volk redete gegen Gott und gegen Mose".
Kann man Moses als "Gesalbten Gottes" bezeichnen? Ja und zwar aus mehreren Gründen. Zuerst einmal hatte Moses eine besondere Vollmacht von Gott erhalten, den Bund mit Israel zu vermitteln. Außerdem war er Prophet. Damit gehörte er eindeutig in dieselbe Kategorie wie die oben genannten Gesalbten.
Außerdem wird in 5.Mose 18,18 prophetisch von Jesus als dem "Propheten wie Moses" gesprochen. Da Jesus gesalbt war, kann man diese Bezeichnung auch aus diesem Grund auf Moses anwenden, wie hätte Jesus sonst ein Prophet wie Moses sein sollen.
Und letztens wird in Hebräer 11,26 von Moses direkt der Ausdruck "Christus" benutzt: "indem [Moses] die Schmach des Christus für größeren Reichtum hielt als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung." Ja, hier wird die Schmach, die Moses durch die Ägypter erfuhr als "Schmach des Christus" bezeichnet und er wird damit als "gesalbter" bezeichnet.
Damit habe ich natürlich keine Problem in 1.Korinther 10,9 genauso wie in Hebräer 11,26 Moses als "gesalbten Gottes" zu bezeichnen.
Und damit passt auch diese genannte alternative Wiedergabe sehr gut in das Glaubensgebäude der Zeugen Jehovas. Man muss also in keiner Weise annehmen, dass die gewählte Wiedergabe irgendetwas damit zu tun hat, dass Zeugen Jehovas die Dreieinigkeitslehre ablehnen.
Wenn ich mal wieder Zeit habe, dann werde ich noch ein paar weitere Punkte dieser Kritik behandeln...
Die Übersetzer [der NWÜ] wollten keine Exegese (= Auslegung) machen. Das haben sie auch nicht. Aber sie haben etwas viel Schlimmeres gemacht: Eisegese (griech. "eis" = hinein), sie haben Aussagen in den Text hineingelesen, die einfach nicht drin stehen, nur um die eigenen Lehren zu stützen.Auf dem Weg zu diesem Ergebnis lässt unser Kritiker die wichtigsten Argumente unbeachtet, die die Übersetzer anführen (siehe hier und hier). Allerdings verwendet er auch ein Gegenargument, dass mir etwas unlogisch vorkommt:
Hier mögen noch ein paar kurze Beispiele folgen, aus denen deutlich wird, daß es (u.a.) das Ziel das NT's ist, zu zeigen, daß Jesus Jahwe ist, sprich, daß er Gott ist. Damit ist nicht gesagt, daß an allen Stellen, wo das AT von Jahwe redet, von Jesus die Rede ist. An einigen Stellen ist es aber nach der Lehre des Neuen Testamentes sehr wohl so. Dies ändert man auch nicht dadurch, daß man im NT in den AT-Zitaten "Jehova" übersetzt.Dazu folgende Überlegung: Wenn wirklich gelten sollte, dass "Jesus=Jehova", welche Änderung ergibt sich dann überhaupt, wenn man "Jehova" schreibt an einer Stelle, an der Jesus gemeint sein soll? Eigentlich doch keine. Wenn es wirklich so wäre, dann würde es im Sinn keinen Unterschied machen, ob man nun "Jehova" einfügt oder nicht. Trotzdem gibt es deswegen sehr scharfe Vorwürfe. Eigentlich doch nicht sinnvoll. Aber was soll's, viel wichtiger erscheint mir, dass die genannten Beispieltexte und die dazu gebrachten Erläuterungen nicht sehr stichhaltig aussehen. Hier will ich den ersten Text einmal besprechen:
4Mose 21,6-8 -> 1Kor 10,9 (dies ist kein AT-Zitat, was die Argumentation noch eindeutiger macht): Paulus schreibt: "Laßt uns auch nicht Christus versuchen, wie einige von ihnen ihn versuchten und wurden von den Schlangen umgebracht." In 4Mose 21,6-8 ist von Jahwe die Rede. Wenn die ZJ nun in 1Kor 10,9 anstatt "Christus" (was im griechischen steht "Jehova" schreiben, so halte ich das schlichtweg für eine Fälschung des Textes aus rein dogmatischen Gründen - der Vers würde ja sonst schlecht ins eigene Konzept passen.Hierzu gibt es eine ganze Reihe interessanter Fragen, die leider von unserem Kritiker nicht bzw. nur am Rande zur Kenntnis genommen werden:
[Fußnote dazu:]Mir ist nicht entgangen, daß es auch viele griechische Handschriften gibt, die an dieser Stelle "Kyrios" lesen. Da es sich aber trotz alledem um kein Zitat handelt, ist jede Änderung in "Jehova" dogmatische Willkür.
- Warum benutzt die NWÜ eigentlich hier einen "anderen" Grundtext? Ist dieser Grund legitim? Was tun andere Übersetzer an dieser Stelle?
- Wenn man annimmt, dass im griechischen "kyrios" steht, kann man dann annehmen, dass damit Jehova gemeint ist?
- Könnten Zeugen Jehovas auch mit der Lesart "Christus" in 1.Korinther 10,9 leben, oder würde das wirklich ihre Glaubenslehre umschmeißen?
- Hält sich die NWÜ hier an die eigenen Übersetzungsprinzipien, oder bricht sie diese, weil 1.Korinther 10,9 kein Zitat aus 4.Mose 21 ist?
Zur Textgrundlage
Wie unser Kritiker selbst sagt, enthalten einige Handschriften hier das Wort "kyrios" anstatt von "christos". Wie konnte es dazu kommen, dass die Abschreiber diese beiden doch eher unterschiedlichen Worte verwechseln konnten? Möglicherweise deswegen, weil Worte wie "kyrios" oder "christos" in Bibelhandschriften abgekürzt wurden. Und die Abkürzung unterschied sich nur in einem Buchstaben, der zudem noch (je nach Handschrift) relativ ähnlich aussah. Der Kodex Sinaiticus und der Kodex Vaticanus enthalten die Variante "kyrios" während P46 "christos" schreibt. Anhand des Handschriftenbefundes ist es also sehr schwer zu entscheiden, welches Wort ursprünglich verwendet wurde.Die NWÜ beruht im wesentlichen auf dem Text von Westscott und Hort, der hier das Wort "kyrios" enthält. Bibeln, die auf dem Text von Nestle-Aland26 beruhen, übersetzen häufig "Christus", aber es gibt interessanterweise eine ganze Reihe Bibeln, die hier ebenfalls "Herr" schreiben:
- Hoffnung für Alle
- Einheitsübersetzung
- Menge-Bibel
- Elberfelder (Fußnote)
- Neues Leben (Fußnote)
Herr und Übersetzungsprinzip
Fangen wir damit an, dass wir sagen: "kyrios" war die ursprüngliche Lesart. Wenn wir dann 4.Mose vergleichen, dann ist auf den ersten Blick klar, dass Jehova gemeint sein muss. Allerdings hat unser Kritiker recht, dass 1.Korinther 10,9 kein direktes Zitat aus Mose ist. Handelt es sich aber -wie behauptet- um "reine Willkür", dass hier "Herr" mit "Jehova" wiedergegeben wurde?Unser Kritiker hatte anscheinend die NWÜ vorliegen, da er aus der Begründung der Übersetzer für die Wiedergabe von "kyrios" mit "Jehova" zitiert. Allerdings hat er wesentliche Punkte des Vorgehens übersehen. Die Übersetzer haben nicht nur geprüft, ob im "NT" ganze Verse aus dem AT zitiert wurden, sondern auch ob Ausdrücke (z.B. "Engel Jehovas") oder Wendungen (z.B. "Jehova preisen") benutzt wurden, die im "AT" den Namen Gottes enthalten. Und hier wird man natürlich fündig:
Es gibt also im "AT" eine Redewendung, die den Namen Gottes enthält. Und genau diese Redewendung hatte Paulus hier benutzt. Demnach hat sich die NWÜ genau an die eigenen Übersetzungsprinzipien gehalten und nicht "dogmatische Willkür" herrschen lassen.
- 5.Mose 6,16: Ihr sollt den HERRN, euren Gott, nicht prüfen, wie ihr ihn zu Massa geprüft habt.
- 2.Mose 17,2.7: Da geriet das Volk mit Mose in Streit, und sie sagten: Gib uns Wasser, damit wir zu trinken haben! Mose aber erwiderte ihnen: Was streitet ihr mit mir? Was prüft ihr den HERRN? [...] Und er gab dem Ort den Namen Massa und Meriba wegen des Streitens der Söhne Israel und weil sie den HERRN geprüft hatten,
Es ist natürliche eine andere Frage, ob man dieses Übersetzungsprinzip als solches bejaht oder ablehnt, aber das ist ein weiteres Thema.
Da Paulus in die gesamte Wüstenwanderung Revue passieren lässt und mit einigen Beispielen an die Geschehnisse erinnert, ist es auch gerechtfertigt, dass er ein Geschehnis ("die Kupferschlange") benennt und eine Redewendung benutzt, die mit einem weiteren Geschehnis ("Massa und Meriba") eng verknüpft ist.
Er wollte ja an alle Geschehnisse erinnern.
"Christus": Nachname oder Eigenschaft?
Nun kommen wir zu dem Fall, von dem unser Kritiker behauptet, dass er Zeugen Jehovas 'nicht ins eigene Konzept passe': was wenn ursprünglich "christos" in 1.Korinther 10,9 gestanden hat und "kyrios" nur der Fehler schusseliger Abschreiber war? Ich will mal im folgenden annehmen, dass es so war und sehen, was mit meinen eigenen "Konzepten" so passiert:Zuerst ein mal muss ich daran erinnern, dass "Christus" nicht ein Name Jesu ist, sondern ein Adjektiv, dass nichts weiter als "gesalbt" bedeutet. Man könnte 1.Korinther 10,9 wörtlich übersetzen: "Lasst uns nicht den gesalbten prüfen..." Was macht das für einen Unterschied?
Nun in der Bibel wird nicht nur Jesus als "Gesalbter" bezeichnet sondern eine ganze Reihe anderer auch, so weit, dass der Ausdruck sich allgemein auf Personen beziehen kann, die von Gott besondere Vollmacht erhalten haben, wobei die Septuaginta jedesmal das Wort "christos" oder eine verwandte Wortform benutzt:
Wir sehen, dass die unterschiedlichsten Personen aus den unterschiedlichsten Gründen zum "Christus" gemacht werden konnten. Im Fall von Elisa und Cyrus erforderte das noch nicht einmal, dass die betreffende Person buchstäblich mit Öl gesalbt wurde.
- der König Israels: (Psalm 2,2) Es treten auf Könige der Erde, und Fürsten tun sich zusammen gegen den HERRN und seinen Gesalbten
- Der Priester Jehovas: (3.Mose 4,5.16) Und der gesalbte Priester ...
- Der Prophet Gottes: (1.Könige 19,16) und Elisa, den Sohn Schafats, von Abel-Mehola, sollst du zum Propheten an deiner Stelle salben!
- andere Personen, die einen Auftrag Gottes erhalten: (Jesaja 45,1) So spricht der HERR zu seinem Gesalbten, zu Kyrus,...
(1.Könige 19,15) salbe Hasaël zum König über Aram!
Was hat das aber nun mit unserem Text zu tun? Nun, unser Kritiker lässt ein wichtiges Detail aus, wenn er sagt: "In 4Mose 21,6-8[eigtl. 4-9] ist von Jahwe die Rede." Dort heißt es nämlich: "und das Volk redete gegen Gott und gegen Mose".
Kann man Moses als "Gesalbten Gottes" bezeichnen? Ja und zwar aus mehreren Gründen. Zuerst einmal hatte Moses eine besondere Vollmacht von Gott erhalten, den Bund mit Israel zu vermitteln. Außerdem war er Prophet. Damit gehörte er eindeutig in dieselbe Kategorie wie die oben genannten Gesalbten.
Außerdem wird in 5.Mose 18,18 prophetisch von Jesus als dem "Propheten wie Moses" gesprochen. Da Jesus gesalbt war, kann man diese Bezeichnung auch aus diesem Grund auf Moses anwenden, wie hätte Jesus sonst ein Prophet wie Moses sein sollen.
Und letztens wird in Hebräer 11,26 von Moses direkt der Ausdruck "Christus" benutzt: "indem [Moses] die Schmach des Christus für größeren Reichtum hielt als die Schätze Ägyptens; denn er schaute auf die Belohnung." Ja, hier wird die Schmach, die Moses durch die Ägypter erfuhr als "Schmach des Christus" bezeichnet und er wird damit als "gesalbter" bezeichnet.
Damit habe ich natürlich keine Problem in 1.Korinther 10,9 genauso wie in Hebräer 11,26 Moses als "gesalbten Gottes" zu bezeichnen.
Fazit
Damit sehe ich keinen Grund, in 1.Korinther 10,9 einen Hinweis auf Jesus zu sehen. In 4.Mose 21 war von ihm nicht die Rede. Erst, wenn jemand die Dreieinigkeit als bereits bewiesen voraussetzt, kann er in 1.Korinther annehmen, dass dort Jesus gemeint sei. Aber dann hat er keinen gültigen Beweis mehr, da er das zu beweisende voraussetzt.Und damit passt auch diese genannte alternative Wiedergabe sehr gut in das Glaubensgebäude der Zeugen Jehovas. Man muss also in keiner Weise annehmen, dass die gewählte Wiedergabe irgendetwas damit zu tun hat, dass Zeugen Jehovas die Dreieinigkeitslehre ablehnen.
Wenn ich mal wieder Zeit habe, dann werde ich noch ein paar weitere Punkte dieser Kritik behandeln...
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