Donnerstag, 7. April 2011
Dawkins Airlines(IV)
Das anthropische Prinzip
Das anthropische Prinzip
hgp, 16:28h
Mit Erschrecken musste ich bemerken, dass ich letztes Jahr meine kleine Reihe zu Dawkins "Fast-Beweis-dass-es-keinen-Gott-gibt" nicht abgeschlossen habe. Daher hier nun der letzte Teil:
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Um zu beweisen, dass Gott prinzipiell zur Erklärung des Universums nicht erforderlich ist, muss man natürlich einen alternativen Weg zeigen, wie man Ordnung und Leben im Universum erklären kann. Ein weiteres Element in Dawkins 'Fast-Beweis' besteht daher in der Anwendung des anthropischen Prinzips auf die Entstehung des Lebens. Er schreibt dazu auf Seite 191 von "Der Gotteswahn":
Das erste Problem, dass ich bei diesem Argument sehe, besteht darin, dass das anthropische Prinzip alleine in keiner Weise einen Hinweis darauf gibt, wie das Leben, das Universum (und der ganze Rest :o) entstanden sind. Es besagt lediglich, dass irgendwelche Umstände Leben ermöglichen. Ob das Leben nun von einem Schöpfer oder irgendetwas anderem ermöglicht wird, ist für das anthropische Prinzip egal. Um also mit dem anthropischen Prinzip nachzuweisen, dass Gott für das Leben nicht erforderlich ist, braucht man noch Zusatzannahmen; und diese Annahmen sind (wie wir gleich sehen werden) nicht gerechtfertigt.
Natürlich hat Dawkins genausowenig wie irgendjemand anders die erdähnlichen Planeten nachgezählt. Sollten es z.B. nur 1012 sein, dann ist die Entstehung von Leben eine million mal unwahrscheinlicher. Wenn es mehr wären, wäre die Entstehung von Leben wieder wahrscheinlicher. Aber das ist noch nicht das große Problem.
Das wirklich große Problem besteht darin, dass sich Dawkins die Zahl 10-9 für die Wahrscheinlichkeit, dass Leben auf einem erdähnlichen Planeten von selbst entstehen kann, einfach nur ausgedacht hat. Er tut so, als sei dies eine lächerlich niedrige Annahme ("In Wirklichkeit glaube ich keinen Augenblick, dass die Entstehung des Lebens auch nur annähernd so unwahrscheinlich war"; S. 194) und kommt zu dem Schluss: "Selbst wenn man die Wahrscheinlichkeit, dass Leben spontan entsteht, sehr pessimistisch einschätzt, ist diese statistische Argumentation der Todesstoß für den Gedanken, man müsse gezielte Gestaltung, 'Intelligent Design' postulieren, um die Lücke zu füllen." (S. 195)
Wie ich an anderer Stelle zeigte, ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch nur ein einzelnen komplexes Molekül spontan entsteht vernachlässigbar, selbst wenn man alle von Dawkins angenommenen Planeten in der kompletten Geschichte des Universums zur Hilfe nimmt. Seine Behauptung, dass die Statistik die spontane Entstehung von Leben 'ermöglicht', ist einfach ein Bluff. Weder Dawkins noch irgend jemand anders konnte zeigen, dass die von ihm postulierten hohen Wahrscheinlichkeiten (und 10-9 ist in diesem Zusammenhang astronomisch groß!) irgendwie erreicht werden können.
Niemand kennt physikalische Prozesse, die auch nur im Prinzip die Enststehung komplexer und funktionsfähiger(!) Moleküle erlaubt. Wahrscheinlich deshalb versucht Dawkins es gar nicht, sie zu auch nur zu nennen. Aber damit hat er nichts bewiesen außer dass er gewillt ist, im entscheidenden Moment Scheuklappen aufzusetzen, um wichtige Punkte übersehen zu können. Solange niemand auch nur eine Ahnung hat, wie die natürlichen Prozesse aussehen können, die Leben spontan entstehen lassen, ist es verfrüht, diese Prozesse einfach als gegeben vorauszusetzen.
Dawkins setzt hier das zu beweisende einfach voraus und begeht damit einen einfachen Argumentationsfehler, der sein Argument hier (wieder einmal) vor den Baum fahren lässt. Aber es kommt noch besser (oder schlimmer, je nach eigener Weltsicht)
Wie entsteht solch ein Universum? Dawkins meint, dass Gott als Erklärung nicht ausreicht, da man ein Rätsel (das Universum) gegen ein noch größeres Rätsel (Gott) austauscht. In den vorherigen Teilen dieser Reihe habe ich bereits gezeigt, warum dieser Teil seines Arguments nicht funktioniert. Darum will ich mich auf die andere Hälfte konzentrieren: seine Annahme, warum es klar ist, dass ein Universum entstehen konnte, in dem Leben existieren kann: das Multiversum.
Dabei handelt es sich um ein (hypothetisches) "Dingsbums", dass Universen produziert, so wie eine Henne Eier legt. Der Vorschläge, wie solch ein Multiversum aussehen kann, gibt es viele, z.B:
Ein Universum, dass sich nach ein paar Milliarden Jahren wieder zu einem Zustand wie im Urknall zusammenfindet und bei einem erneuten Urknall die Naturkonstanten zufällig neu bestimmt. Es gibt also eine endlose Reihe von Universen, die "nacheinander" existieren und die jeweils durch einen Urknall getrennt sind. Andere Annahmen gehen davon aus, dass die Materie, die in schwarze Löcher gerät dort "Tochteruniversen" bildet.
Noch andere Hypothesen sind wesentlich weniger anschaulich erklärbar. Sie haben aber alle folgendes gemeinsam: Jedes Universum hat seinen eigenen Satz von zufällig eingestellten Naturkonstanten. Es gibt kein Weg von einem Universum zum nächsten. Die Zahl der produzierten Universen ist sehr groß oder sogar unendlich groß.
Zuerst einmal bedeutet: "Es gibt kein Weg von einem Universum zum nächsten" natürlich, dass es keine direkte Möglichkeit gibt, andere Universen (und damit das Multiversum) zu beobachten. Und damit haben wir an dieser Stelle bereits den Bereich der Naturwissenschaften verlassen; da diese sich nur mit Dingen beschäftigen können, die der Beobachtung zugänglich sind. Und damit kann man ein Multiversum nicht naturwissenschaftlich beweisen sondern nur noch philosophisch. Wer also ein Multiversum als Argument gegen Gott verwendet, ist gezwungen, seine angebliche naturwissenschaftliche Argumentation aufzugeben, da sein Argument sich auf metaphysische Argumente gründen muss- ein Vorwurf, den die selben Personen gerne auch gegen Theisten verwenden. Wer also meint, dass sein Weltbild besser sei, da es wissenschaftlich ist, sollte die Finger von Multiversen lassen.
Ein zweites Problem ergibt sich aus der Frage, warum sollte man einem nicht beobachtbaren Ding wie dem Multiversum den Vorzug vor einem anderen (Gott) geben. Als Antwort sagt Dawkins: das Multiversum (inkl. aller seiner Universen) ist "einfach" im Gegensatz zu Gott, der kompliziert ist. Hier schießt sich seine Argumentation selber in den Fuß: Ausgangspunkt von Dawkins' Überlegungen war, dass das Leben auf der Erde eine besondere Erklärung benötigt, weil es eben nicht "einfach" ist. Wenn aber das Multiversum, dass mit Sicherheit Leben erzeugt, "einfach" ist, wieso ist Leben dann nicht "einfach"? Es ensteht doch mit Sicherheit aus einfachen Prozessen. Und wieso kann Gott dann nicht "einfach" sein (in dem Sinne, den Dawkins meint, aber leider nie richtig erklärt)? Wenn also das Multiversum "einfach" ist, dann ist Dawkins' Argument von vorne bis hinten falsch; wenn das Multiversum aber nicht einfach ist, dann führt das direkt zum nächsten Problem:
Ein drittes Problem: Dawkins fragt danach, wer denn den Schöpfer erschaffen hat (der nach Dawkins angeblich auch geschaffen worden sein muss). Genau diese Frage kann man natürlich auch beim Multiversum stellen: Wo kommt es her? Dawkins sagt es nicht. Wenn man Dawkins Argument zu Gott sinngemäß anwendet, kommt man zu folgendem Punkt: Als Erklärung für das Multiversum wäre ein Multi²versum erforderlich, ein Dingsbums, dass viele zufällige Multiversen erzeugt, von denen manche Universen erzeugen. Und wo kommt das Multi²versum her? Ganz klar: man braucht ein Multi³versum, dass viele zufällige Multi²versen erzeugt. Anders gesagt: wer bei Gott meint, dass die Frage nach der Herkunft Gottes ihn unmöglich macht, der steht beim Multiversum vor dem gleichen Problem. Und dieses Problem untersucht Dawkins nicht. Damit ist seine "Lösung" für die Frage, wo unser Universum herkommt, mindestens genau so logisch oder unlogisch wie "Gott" als Antwort.
Es gibt zwei Auswege aus diesem Dilemma; leider ;o) funktionieren sie genau so gut für Gott wie für ein Multiversum: Man kann einfach sagen: na gut, dann ist das so: wir haben halt eine unendliche Reihe von Multinversen, aber dann hat man genau das gleiche, was den Atheisten veranlasst, Gott als Erklärung abzulehnen nämlich einen unendlichen Regress. Also muss man hier entweder das Argument verwerfen, dass einen dazu veranlasst, Gott abzulehnen oder man muss das Multiversum aus dem gleichen Grund ablehnen (und steht dann wieder ohne Argument da). Die andere Möglichkeit besteht darin zu sagen, dass es ein "notwendiges" Multinversum geben muss, dass schon immer bestand und ohne externe Voraussetzungen wie ein Multin+1verum auskommt. Und damit hat der Atheist dann fast exakt die Beschreibung reproduziert, die gläubige für ihren Gott verwenden: ein ewiges (allmächtiges) Wesen, dass Schöpfer aller Dinge ist. Die einzige Streitfrage zwischen Atheisten und Theisten wäre dann noch: wie intelligent ist dieses ewige Wesen? Anders gesagt: ein Atheist, der dieses Argument benutzt, glaubt an einen unendlich dummen Gott -nicht die Definition, die den meisten Atheisten gefällt.
Aber es kommt noch schlimmer! Ein viertes1 Problem ergibt sich: Die Zahl der vom Multiversum produzierten Universen muss muss extrem groß sein, darf aber nicht unendlich werden. Denn sobald wir unendlich viele Universen haben, ergibt sich ein weiteres Problem, dass es unmöglich macht, überhaupt noch ernsthaft weiter zu denken:
Unser Universum ist endlich; deswegen passieren wahrscheinliche Dinge oft, und unwahrscheinliche Dinge selten und sehr unwahrscheinliche Dinge gar nicht. Sobald wir unendlich viele Universen haben, ändert sich das: alles, was nicht logisch unmöglich ist, passiert mit Sicherheit irgendwo. Logisch unmöglich heißt so viel: es gibt keine Kombination von Umständen, die ein logisch unmögliches Ding erzeugen können.
Hingegen gibt es Dinge die wir zwar als unmöglich bezeichnen, die aber in Wirklichkeit nur extrem unwahrscheinlich sind: z.B. sagt uns die Quantentheorie, dass ständig im Vakuum kleine Elementarteilchen (als Teilchen und zugehöriges Antiteilchen) entstehen und wieder verschwinden, ohne dass wir das bemerken. Wenn aber diese Teilchen dicht genug an einem schwarzen Loch sind, dann zieht das schwarze Loch ein Teilchen an und schluckt es und das andere fliegt davon. Das passiert so ständig in unserem Universum. Es ist nun extrem unwahrscheinlich, dass die Elementarteilchen, die so entstehen, irgendeine sinnvolle Form haben, wie z.B. die eines Walfisches oder einer Petunienvase.
In einem unendlichen Multiversum aber wird jede Wahrscheinlichkeit, die nicht genau null ist, mit den unendlich großen Möglichkeiten multipliziert, die dort bestehen; alles, was nicht komplett unmöglich ist, passiert ständig. In einem unendlichen Multiversum entstehen andauernd Walfische und Petunienvasen aus dem nichts. Natürlich würden wir davon nichts merken, wenn wir in so einem Multiversum leben, weil die Wahrscheinlichkeit, dass dies in unserer Umgebung geschieht, nicht größer wäre als in einem normalen Universum.
Wo liegt also das Problem? In einem unendlichen Multiversum würden nicht nur Walfische entstehen, sondern auch Gehirne mit Erinnerungen und Gedanken und (halluzinierten) Sinneseindrücken. Woher weiß Dawkins also, dass er nicht vor ein paar Millisekunden einfach so in die Existenz geflutscht ist und sich unsere Welt (mit mir als Blogschreiber und dir als Leser) nur einbildet, während er ein Leben als Wissenschaftler halluziniert, bevor er in ein paar weiteren Millisekunden wieder im Weltraum stirbt? Er kann es nicht, wenn er annimmt, dass er in einem unendlichen Multiversum lebt.
Wenn wir aber nicht ausschließen können, dass alles, was wir sehen, hören, riechen und an was wir uns erinnern, einfach nur Einbildungen eine Gehirnes sind, dass irgendwo im freien Weltraum dahingleitet, dann macht Wissenschaft keinerlei Sinn mehr. Und natürlich ist eine Weltanschauung, die sich wissenschaftlich nennt, dann absurd, da Naturwissenschaften dann nichts weiter sind als eine Halluzination, die nichts mit der Realität zu tun hat.
Ich bin mir aber ganz sicher, dass ich Dawkins' "Fast-Beweis-dass-es-keinen-Gott-gibt" nicht schlucke.
1 Die "Per Anhalter duch die Galaxis"-Trilogie hatte auch fünf Teile
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Um zu beweisen, dass Gott prinzipiell zur Erklärung des Universums nicht erforderlich ist, muss man natürlich einen alternativen Weg zeigen, wie man Ordnung und Leben im Universum erklären kann. Ein weiteres Element in Dawkins 'Fast-Beweis' besteht daher in der Anwendung des anthropischen Prinzips auf die Entstehung des Lebens. Er schreibt dazu auf Seite 191 von "Der Gotteswahn":
Aber so klein die Minderheit der Planeten auch sein mag, die für das Leben die richtigen Voraussetzungen bieten, wir müssen uns zwangsläufig auf einem davon befinden, denn nur deshalb sind wir da und können darüber nachdenken.Dawkins wendet das anthropische Prinzip auf zwei Situationen an: zuerst auf die Entstehung von Leben auf irgendeinem Planeten in unserem Universum, dann auf die Entstehung eines (feinabgestimmten) Universums selber.
[... Das anthropische Prinzip] liefert eine vernünftige Erklärung für die Tatsache, dass wir uns in einer Situation befinden, die unser Dasein ermöglicht, und diese Erklärung kommt ohne göttliche Gestaltung aus.
Das erste Problem, dass ich bei diesem Argument sehe, besteht darin, dass das anthropische Prinzip alleine in keiner Weise einen Hinweis darauf gibt, wie das Leben, das Universum (und der ganze Rest :o) entstanden sind. Es besagt lediglich, dass irgendwelche Umstände Leben ermöglichen. Ob das Leben nun von einem Schöpfer oder irgendetwas anderem ermöglicht wird, ist für das anthropische Prinzip egal. Um also mit dem anthropischen Prinzip nachzuweisen, dass Gott für das Leben nicht erforderlich ist, braucht man noch Zusatzannahmen; und diese Annahmen sind (wie wir gleich sehen werden) nicht gerechtfertigt.
Anthropisches Prinzip, die erste: Leben
Im ersten Fall (Entstehung des Lebens) ist seine Argumentation einfach (S. 193, von mir vereinfacht umschrieben): wir müssen nicht die Wahrscheinlichkeit betrachten, dass Leben auf der Erde entstand, sondern die Wahrscheinlichkeit, dass es irgendwo im Universum geschah; dass es dann ausgerechnet die Erde war, ist Zufall. Dawkins nimmt die Zahl aller Planeten, auf denen theoretisch Leben entstehen könnte mit 1018 an und die Wahrscheinlichkeit, dass Leben auf einem Planeten entsteht mit 10-9. Damit kommt er zum Ergebnis, dass man ca. 109 Planeten mit Leben erwarten kann.Natürlich hat Dawkins genausowenig wie irgendjemand anders die erdähnlichen Planeten nachgezählt. Sollten es z.B. nur 1012 sein, dann ist die Entstehung von Leben eine million mal unwahrscheinlicher. Wenn es mehr wären, wäre die Entstehung von Leben wieder wahrscheinlicher. Aber das ist noch nicht das große Problem.
Das wirklich große Problem besteht darin, dass sich Dawkins die Zahl 10-9 für die Wahrscheinlichkeit, dass Leben auf einem erdähnlichen Planeten von selbst entstehen kann, einfach nur ausgedacht hat. Er tut so, als sei dies eine lächerlich niedrige Annahme ("In Wirklichkeit glaube ich keinen Augenblick, dass die Entstehung des Lebens auch nur annähernd so unwahrscheinlich war"; S. 194) und kommt zu dem Schluss: "Selbst wenn man die Wahrscheinlichkeit, dass Leben spontan entsteht, sehr pessimistisch einschätzt, ist diese statistische Argumentation der Todesstoß für den Gedanken, man müsse gezielte Gestaltung, 'Intelligent Design' postulieren, um die Lücke zu füllen." (S. 195)
Wie ich an anderer Stelle zeigte, ist die Wahrscheinlichkeit, dass auch nur ein einzelnen komplexes Molekül spontan entsteht vernachlässigbar, selbst wenn man alle von Dawkins angenommenen Planeten in der kompletten Geschichte des Universums zur Hilfe nimmt. Seine Behauptung, dass die Statistik die spontane Entstehung von Leben 'ermöglicht', ist einfach ein Bluff. Weder Dawkins noch irgend jemand anders konnte zeigen, dass die von ihm postulierten hohen Wahrscheinlichkeiten (und 10-9 ist in diesem Zusammenhang astronomisch groß!) irgendwie erreicht werden können.
Niemand kennt physikalische Prozesse, die auch nur im Prinzip die Enststehung komplexer und funktionsfähiger(!) Moleküle erlaubt. Wahrscheinlich deshalb versucht Dawkins es gar nicht, sie zu auch nur zu nennen. Aber damit hat er nichts bewiesen außer dass er gewillt ist, im entscheidenden Moment Scheuklappen aufzusetzen, um wichtige Punkte übersehen zu können. Solange niemand auch nur eine Ahnung hat, wie die natürlichen Prozesse aussehen können, die Leben spontan entstehen lassen, ist es verfrüht, diese Prozesse einfach als gegeben vorauszusetzen.
Dawkins setzt hier das zu beweisende einfach voraus und begeht damit einen einfachen Argumentationsfehler, der sein Argument hier (wieder einmal) vor den Baum fahren lässt. Aber es kommt noch besser (oder schlimmer, je nach eigener Weltsicht)
Anthropisches Prinzip die zweite: das Universum
Als nächstes versucht Dawkins die Existenz eines geordneten und feinabgestimmten Universums mit dem anthropischen Prinzip zu erklären. "Feinabgestimmt" bedeutet, dass bestimmte Naturkonstanten so "gewählt" sein müssen, dass sie ein geordnetes Universum mit Leben (und Sternen, Planeten, Elementen, Molekülen etc.) ermöglichen. In dem angegebenen Link werden einige davon genannt. Jede Menge Werte müssen in einem sehr engen Bereich liegen, damit es z.B. auch nur Atome geben kann. Aber warum sollte der Urknall den Naturkonstanten ausgerechnet die Werte einstellen, die wir benötigen, um als Menschen auf der Erde zu leben? Es ist eine endlose Menge von Werten vorstellbar, die nicht zu einem Universum mit Leben führen können und nur sehr wenige, bei denen Leben möglich ist.Wie entsteht solch ein Universum? Dawkins meint, dass Gott als Erklärung nicht ausreicht, da man ein Rätsel (das Universum) gegen ein noch größeres Rätsel (Gott) austauscht. In den vorherigen Teilen dieser Reihe habe ich bereits gezeigt, warum dieser Teil seines Arguments nicht funktioniert. Darum will ich mich auf die andere Hälfte konzentrieren: seine Annahme, warum es klar ist, dass ein Universum entstehen konnte, in dem Leben existieren kann: das Multiversum.
Dabei handelt es sich um ein (hypothetisches) "Dingsbums", dass Universen produziert, so wie eine Henne Eier legt. Der Vorschläge, wie solch ein Multiversum aussehen kann, gibt es viele, z.B:
Ein Universum, dass sich nach ein paar Milliarden Jahren wieder zu einem Zustand wie im Urknall zusammenfindet und bei einem erneuten Urknall die Naturkonstanten zufällig neu bestimmt. Es gibt also eine endlose Reihe von Universen, die "nacheinander" existieren und die jeweils durch einen Urknall getrennt sind. Andere Annahmen gehen davon aus, dass die Materie, die in schwarze Löcher gerät dort "Tochteruniversen" bildet.
Noch andere Hypothesen sind wesentlich weniger anschaulich erklärbar. Sie haben aber alle folgendes gemeinsam: Jedes Universum hat seinen eigenen Satz von zufällig eingestellten Naturkonstanten. Es gibt kein Weg von einem Universum zum nächsten. Die Zahl der produzierten Universen ist sehr groß oder sogar unendlich groß.
Und da waren sie wieder meine drei Probleme...
Allerdings hat diese Idee ein paar Haare in der Suppe. Um genauer zu sein, gibt es drei Probleme, die es mir unmöglich machen, diese Idee übermäßig ernst zu nehmen. Ich muss hier warnen, dass das folgende eine Menge an philosophischen Argumenten enthält, die nicht leicht verdaulich sind, wenn man nicht daran gewöhnt ist, den Samstag nachmittag in elfdimensionalen Räumen zu verbringen.Zuerst einmal bedeutet: "Es gibt kein Weg von einem Universum zum nächsten" natürlich, dass es keine direkte Möglichkeit gibt, andere Universen (und damit das Multiversum) zu beobachten. Und damit haben wir an dieser Stelle bereits den Bereich der Naturwissenschaften verlassen; da diese sich nur mit Dingen beschäftigen können, die der Beobachtung zugänglich sind. Und damit kann man ein Multiversum nicht naturwissenschaftlich beweisen sondern nur noch philosophisch. Wer also ein Multiversum als Argument gegen Gott verwendet, ist gezwungen, seine angebliche naturwissenschaftliche Argumentation aufzugeben, da sein Argument sich auf metaphysische Argumente gründen muss- ein Vorwurf, den die selben Personen gerne auch gegen Theisten verwenden. Wer also meint, dass sein Weltbild besser sei, da es wissenschaftlich ist, sollte die Finger von Multiversen lassen.
Ein zweites Problem ergibt sich aus der Frage, warum sollte man einem nicht beobachtbaren Ding wie dem Multiversum den Vorzug vor einem anderen (Gott) geben. Als Antwort sagt Dawkins: das Multiversum (inkl. aller seiner Universen) ist "einfach" im Gegensatz zu Gott, der kompliziert ist. Hier schießt sich seine Argumentation selber in den Fuß: Ausgangspunkt von Dawkins' Überlegungen war, dass das Leben auf der Erde eine besondere Erklärung benötigt, weil es eben nicht "einfach" ist. Wenn aber das Multiversum, dass mit Sicherheit Leben erzeugt, "einfach" ist, wieso ist Leben dann nicht "einfach"? Es ensteht doch mit Sicherheit aus einfachen Prozessen. Und wieso kann Gott dann nicht "einfach" sein (in dem Sinne, den Dawkins meint, aber leider nie richtig erklärt)? Wenn also das Multiversum "einfach" ist, dann ist Dawkins' Argument von vorne bis hinten falsch; wenn das Multiversum aber nicht einfach ist, dann führt das direkt zum nächsten Problem:
Ein drittes Problem: Dawkins fragt danach, wer denn den Schöpfer erschaffen hat (der nach Dawkins angeblich auch geschaffen worden sein muss). Genau diese Frage kann man natürlich auch beim Multiversum stellen: Wo kommt es her? Dawkins sagt es nicht. Wenn man Dawkins Argument zu Gott sinngemäß anwendet, kommt man zu folgendem Punkt: Als Erklärung für das Multiversum wäre ein Multi²versum erforderlich, ein Dingsbums, dass viele zufällige Multiversen erzeugt, von denen manche Universen erzeugen. Und wo kommt das Multi²versum her? Ganz klar: man braucht ein Multi³versum, dass viele zufällige Multi²versen erzeugt. Anders gesagt: wer bei Gott meint, dass die Frage nach der Herkunft Gottes ihn unmöglich macht, der steht beim Multiversum vor dem gleichen Problem. Und dieses Problem untersucht Dawkins nicht. Damit ist seine "Lösung" für die Frage, wo unser Universum herkommt, mindestens genau so logisch oder unlogisch wie "Gott" als Antwort.
Es gibt zwei Auswege aus diesem Dilemma; leider ;o) funktionieren sie genau so gut für Gott wie für ein Multiversum: Man kann einfach sagen: na gut, dann ist das so: wir haben halt eine unendliche Reihe von Multinversen, aber dann hat man genau das gleiche, was den Atheisten veranlasst, Gott als Erklärung abzulehnen nämlich einen unendlichen Regress. Also muss man hier entweder das Argument verwerfen, dass einen dazu veranlasst, Gott abzulehnen oder man muss das Multiversum aus dem gleichen Grund ablehnen (und steht dann wieder ohne Argument da). Die andere Möglichkeit besteht darin zu sagen, dass es ein "notwendiges" Multinversum geben muss, dass schon immer bestand und ohne externe Voraussetzungen wie ein Multin+1verum auskommt. Und damit hat der Atheist dann fast exakt die Beschreibung reproduziert, die gläubige für ihren Gott verwenden: ein ewiges (allmächtiges) Wesen, dass Schöpfer aller Dinge ist. Die einzige Streitfrage zwischen Atheisten und Theisten wäre dann noch: wie intelligent ist dieses ewige Wesen? Anders gesagt: ein Atheist, der dieses Argument benutzt, glaubt an einen unendlich dummen Gott -nicht die Definition, die den meisten Atheisten gefällt.
Aber es kommt noch schlimmer! Ein viertes1 Problem ergibt sich: Die Zahl der vom Multiversum produzierten Universen muss muss extrem groß sein, darf aber nicht unendlich werden. Denn sobald wir unendlich viele Universen haben, ergibt sich ein weiteres Problem, dass es unmöglich macht, überhaupt noch ernsthaft weiter zu denken:
Unser Universum ist endlich; deswegen passieren wahrscheinliche Dinge oft, und unwahrscheinliche Dinge selten und sehr unwahrscheinliche Dinge gar nicht. Sobald wir unendlich viele Universen haben, ändert sich das: alles, was nicht logisch unmöglich ist, passiert mit Sicherheit irgendwo. Logisch unmöglich heißt so viel: es gibt keine Kombination von Umständen, die ein logisch unmögliches Ding erzeugen können.
Hingegen gibt es Dinge die wir zwar als unmöglich bezeichnen, die aber in Wirklichkeit nur extrem unwahrscheinlich sind: z.B. sagt uns die Quantentheorie, dass ständig im Vakuum kleine Elementarteilchen (als Teilchen und zugehöriges Antiteilchen) entstehen und wieder verschwinden, ohne dass wir das bemerken. Wenn aber diese Teilchen dicht genug an einem schwarzen Loch sind, dann zieht das schwarze Loch ein Teilchen an und schluckt es und das andere fliegt davon. Das passiert so ständig in unserem Universum. Es ist nun extrem unwahrscheinlich, dass die Elementarteilchen, die so entstehen, irgendeine sinnvolle Form haben, wie z.B. die eines Walfisches oder einer Petunienvase.
In einem unendlichen Multiversum aber wird jede Wahrscheinlichkeit, die nicht genau null ist, mit den unendlich großen Möglichkeiten multipliziert, die dort bestehen; alles, was nicht komplett unmöglich ist, passiert ständig. In einem unendlichen Multiversum entstehen andauernd Walfische und Petunienvasen aus dem nichts. Natürlich würden wir davon nichts merken, wenn wir in so einem Multiversum leben, weil die Wahrscheinlichkeit, dass dies in unserer Umgebung geschieht, nicht größer wäre als in einem normalen Universum.
Wo liegt also das Problem? In einem unendlichen Multiversum würden nicht nur Walfische entstehen, sondern auch Gehirne mit Erinnerungen und Gedanken und (halluzinierten) Sinneseindrücken. Woher weiß Dawkins also, dass er nicht vor ein paar Millisekunden einfach so in die Existenz geflutscht ist und sich unsere Welt (mit mir als Blogschreiber und dir als Leser) nur einbildet, während er ein Leben als Wissenschaftler halluziniert, bevor er in ein paar weiteren Millisekunden wieder im Weltraum stirbt? Er kann es nicht, wenn er annimmt, dass er in einem unendlichen Multiversum lebt.
Wenn wir aber nicht ausschließen können, dass alles, was wir sehen, hören, riechen und an was wir uns erinnern, einfach nur Einbildungen eine Gehirnes sind, dass irgendwo im freien Weltraum dahingleitet, dann macht Wissenschaft keinerlei Sinn mehr. Und natürlich ist eine Weltanschauung, die sich wissenschaftlich nennt, dann absurd, da Naturwissenschaften dann nichts weiter sind als eine Halluzination, die nichts mit der Realität zu tun hat.
Fazit
Wie man es auch dreht und wendet: ein Multiversum führt nicht exakt dahin, wo Dawkins hin will. Er muss die (angebliche) wissenschaftliche Grundlage seines Weltbildes verlassen, sein ganzes Argument ist hin, er muss theistische Argumente übernehmen und hart daran arbeiten, dass er nicht zur Halluzination in einem Hirn wird, dass durch den Weltraum schwebt. Ich vermute, dass er das alles nicht tun will.Ich bin mir aber ganz sicher, dass ich Dawkins' "Fast-Beweis-dass-es-keinen-Gott-gibt" nicht schlucke.
1 Die "Per Anhalter duch die Galaxis"-Trilogie hatte auch fünf Teile
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