Montag, 16. April 2012
Logik, Gottes Allmacht und aufhebbare Steine: eine mengentheoretische Erörterung
Ich hatte mir vor einigen Wochen Gedanken darüber gemacht, ob die Frage "kann ein allmächtiger Gott einen Stein schaffen, den er nicht aufheben kann" ein Problem aufwirft, dass mir den Glauben an Gott nehmen kann. Ich kam zum Ergebnis, dass dem nicht so ist, und erwähnte dabei im Vorbeigehen, dass dies etwas mit Mengenlehre zu tun hat.

"Hallo, mein Name ist Inigo Montoya!
Du hast eine Behauptung aufgestellt!
Mach dich bereit, dass ich sie zerpflücke!"
Nun ist mir klar, dass die große Mehrheit der Bevölkerung Fans der Mengenlehre sind und etwas genauer wissen wollen, wie die Mengenlehre dabei hilft, die gestellte Frage zu beantworten. Dazu müssen wir die Frage (und damit den Kern des verlinkten Beitrags) erst einmal in die Sprache der Logik und Mengenlehre übersetzen. Ich fange klein an und definiere erst einmal eine Menge aller möglichen Steine:

ש = {x | x: ein möglicher Stein}

In dieser Menge sind alle real vorhandenen und auch alle zwar nicht real existierenden aber doch immerhin (logisch) möglichen Steine versammelt. Wenn wir über einen beliebigen möglichen Stein reden wollen, dann nennen wir ihn:

x∈ש

Nun hat jeder dieser Steine Eigenschaften. Für unsere Zwecke interessieren natürlich nur zwei Eigenschaften:

σ(x): x kann von Gott erschaffen werden

α(x): x kann von Gott hochgehoben werden

σ und α kann man als Funktionen auffassen, die jedem x einen Wert aus der Menge [wahr, Falsch] zuordnen, je nachdem, ob der entsprechende Stein nun erschaffen bzw. hochgehoben werden kann oder halt eben nicht.

Nachdem wir uns jetzt mit einem hinreichend großen Vorrat an Symbolen versorgt haben, können wir anfangen, mit den Gesetzen der Logik hiermit die Fragestellung abzubilden. Wir wollen einfach anfangen und die Aussage "Gott ist allmächtig" mit der Mengenlehre auszudrücken. Wir interessieren uns natürlich nur für Allmacht, soweit sie mögliche Steine betrifft. Dann würde Allmacht so definiert werden können:

(A) x∈ש (σ(x)∧α(x))

was auf deutsch heißt: Für jeden möglichen Stein gilt: Gott kann ihn erschaffen und hochheben". Da wir diese Aussage später noch benötigen, geben wir ihr den Namen (A), um sie später nicht jedes mal ausschreiben zu müssen.

Die nächste wichtige Aussage, die wir benötigen, lautet: "Gott kann einen Stein schaffen, den er nicht hochheben kann". Wir wollen hier nocht nicht entscheiden, ob diese Aussage für irgendeinen Stein zutrifft oder nicht, wir wollen erst einmal definieren, wie das in der Sprache der Mengenlehre klingt. Wir schreiben das so:

(B) x∈ש (σ(x)∧¬α(x))

Hierzu gibt es natürlich eine zugehörige Menge aller Steine, die Gott zwar schaffen, aber nicht hochheben kann:

שB = {x| σ(x)∧ ¬α(x)}

Unsere Frage lautet dann: Wenn für Gott (A) gilt, kann dann für ihn auch (B) gelten? Oder anders könnten wir auch fragen: "Wenn für Gott (A) gilt, wie viele Elemente hat dann שB?"

In dieser Form ist die Frage allerdings noch nicht so richtig interessant. Interessant wird es, wenn ich jetzt eine weitere Aussage definiere, die lautet: "es gibt einen möglichen Stein, den Gott entweder nicht schaffen kann, oder aber den er zwar schaffen aber nicht hochheben kann". Diese Aussage sieht wie folgt aus:

(C) x∈ש [¬σ(x) ∨ (σ(x)∧¬α(x))]

mit der zugehörigen Menge

שC = {x| [¬σ(x) ∨ (σ(x)∧¬α(x))]}

Nun gilt offensichtlich:

שBשC

Und damit muss die Aussage (C) jedes mal wahr sein, wenn die Aussage (B) zutrifft. Und in der Umkehrung können wir sagen: Wenn etwas auf (C) nicht zutrifft, dann trifft es erst recht nicht auf (B) zu:

(F1) x∈שB → x∈שC

(F2) x∉שC → x∉שB

Bevor du jetzt sagen kannst: "Na und?", wollen wir die Aussage (C) etwas näher betrachten, und da stellen wir fest, dass man sie folgenderweise umformen kann ohne dass sich etwas am Inhalt ändert:

(C') x∈ש ¬(σ(x)∧α(x))

und dass können wir weiter umformen zu:

(C'') ¬x∈ש (σ(x)∧α(x))

Nun gilt aber offensichtlich:

(C) = (C') = (C'') = ¬(A)

Und jetzt wird es interessant, denn wir können den Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch aus der Hosentasche holen und jetzt hier benutzen; nach dem Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch ist eine Aussage mit folgender Form immer wahr, unabhängig davon, ob die (beliebige) Aussage (X) nun wahr oder falsch ist:

¬(X∧¬X)

Wenn wir jetzt für X unsere Aussage (A) einsetzen und für ¬(A) die zugehörige Aussage (C), dann erhalten wir folgende Aussage, die immer wahr ist:

(W) ¬(A∧C)

Nun folgt daraus sofort, dass wenn (A) wahr ist, (C) falsch sein muss. Und wenn (C) falsch ist, dann gilt für die zugehörige Menge:

שC = {}

Wenn wir (F2) anwenden, dann erhalten wir weiter:

שB = {}

Mit anderen Worten: Wenn (A) gilt, dann ist die Menge der Steine, die Gott zwar schaffen kann, aber nicht hochheben kann, eine leere Menge; es kann keine derartigen Steine geben.

"Nun sag' schon: Soll der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch gelten oder nicht?"
(A) sagte uns aber, dass Gott allmächtig ist. Der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch zeigt uns nun, dass wenn Gott allmächtig ist, die Menge der Steine, die er schaffen, aber nicht hochheben kann, leer sein muss. Was heißt das nun wieder? Es bedeutet, dass die Antwort auf die Frage "kann der allmächtige Gott einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass er ihn nicht aufheben kann?" weder die Antwort hat: "Ja er kann solch einen Stein schaffen" noch lautet sie: "Nein, er kann solch einen Stein nicht schaffen", sondern sie lautet: "Es ist aufgrund der Gesetze der Logik unmöglich, dass ein derartiger Stein existiert".

Und an dieser Stelle muss sich der Fragesteller entscheiden, was ihm lieber ist: Die Gesetze der Logik oder sein 'Beweis' dass ein allmächtiger Gott unmöglich ist. Wenn er sich für die Gesetze der Logik entscheidet, dann hat er in Bezug auf die Frage, ob es einen allmächtigen Gott geben kann, nichts gewonnen. Wenn er sich entscheidet, dass er lieber beweisen will, dass es solch einen Gott nicht gibt, dann muss er die Gesetze der Logik verabschieden. In diesem Fall hat er sich dann die Grundlage für seinen Beweis entzogen; ohne Logik kann man keine Beweise erstellen.

Ganz egal also, wie er sich entscheidet, die Frage "Kann der allmächtige Gott einen Stein erschaffen, den er selber nicht hochheben kann" beweist nichts in Bezug darauf, ob ein allmächtiger Gott existiert, aber sehr viel darüber, ob derjenige, der die Frage stellt, sein Argument bis zu Ende durchdacht hat.

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