Donnerstag, 16. Februar 2012
Kann Gott einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass er ihn nicht aufheben kann?
Die Frage ist bei einigen Atheisten äußerst beliebt (Hier zum Beispiel) . Denn ganz egal, wie der Gläubige antwortet, kann er ihm nachweisen, dass sein Glaube unsinnig ist. Manche Gläubige spielen ihm dann in die Hände, indem sie mit unsinnigen Antworten kommen, wie z.B.:
Ein Stein kann etwas sehr vielfältiges sein. Für manche ist es nur ein kleines graues Stück, gerade mal gut genug, dass man es unter den Wagen legt, damit dieser nicht wegrollt, aber für Geister, deren Horizont etwas weiter geht, kann ein Stein alles mögliche sein.
Der Atheist will mich damit in eine Zwickmühle locken. Falls ich nämlich antworte: "Ja er kann es. Er ist ja allmächtig", dann kann er mir antworten: "Wie kann er allmächtig sein, wenn den Stein nicht aufheben kann?"

Falls ich mir die Sache noch einmal überlege und sage: "Als allmächtiger Gott kann er den Stein aufheben", dann kann er antworten: "Wie kann Gott allmächtig sein, wenn er solch einen Stein nicht schaffen kann?" Wir sehen also, unabhängig davon, wie ich antworte, ich habe jedes mal verloren: Gottes Allmacht führt zu einem Widerspruch. Sollte ich jetzt also den Glauben an Gottes Allmacht über Bord werfen? Und wenn es nach den Atheisten geht, den Glauben an Gott überhaupt?

Ein Ausweg aus dem Dilemma

Nö, da bin ich wieder viel zu dickköpfig. Also antworte ich dem Atheisten erst einmal überhaupt nicht, und gehe erst einmal ein paar Schritte zurück von der Frage weg, damit ich sie nicht alleine sehe sondern im größeren Zusammenhang. Und da gibt es allerlei Interessantes zu entdecken.

Diesen Stein könnte sogar ich aufheben
Als erstes entdecken wir ein Problem der Mengenlehre, wie sie im neunzehnten Jahrhundert praktiziert wurde: Russells Paradox zeigt uns, dass man mit einfachen Worten Mengen beschreiben kann, die nicht existieren können, in diesem Fall "die Menge (R genannt) aller Mengen, die sich selbst nicht als Element enthalten". Ist R Element von sich selbst, dann kann R nach der Definition nicht Element von sich selbst sein. Wenn allerdings R nicht Element von sich selbst ist, dann muss es Element von sich selbst sein. Die Schlussfolgerung hieraus: selbstbezügliche Definitionen können problematisch sein.

Nun enthält aber die eingangs gestellte Frage eine etwas vertracktere Form dieses Problems. Wenn wir die Menge aller Handlungen bilden wollen, die der allmächtige Gott ausführen kann, dann präsentiert uns die Frage mit den zwei möglichen Elementen:

A: wenn Gott A ausführen kann, dann kann er B nicht ausführen
B: wenn Gott B ausführen kann, dann kann er A nicht ausführen

Man kann daraus das folgende vereinfachte Element machen:

C: Wenn Gott C ausführen kann, dann kann er C nicht ausführen

Es ist offensichtlich unmöglich, ein derartiges Element in die Menge der ausführbaren Handlungen zu stopfen und noch eine sinnvolle Definition zu behalten. Das ist aber erst einmal ein Problem der Mengenlehre und nicht von Gott. Denn wir müssen uns entscheiden, was wir überhaupt "Allmacht" nennen wollen: Soll es etwas sein, dass noch logisch ist, oder wollen wir behaupten, dass "Allmacht" auch unbeschränkte Herrschaft über die Gesetze der Logik einschließt? Diese Frage müssen wir zuerst einmal uns selber stellen, denn wir stellen ja die Frage und daher müssen wir selber wissen, was die Ausdrücke in unserer Frage bedeuten.

Wenn ich einfach mal annehme, dass ich mit "Allmacht" meinen will, dass Gott auch die Gesetze der Logik nach Bedarf ändern kann, dann habe ich kein Problem mit Gott und seiner Allmacht sondern "nur" noch mit der Logik. Denn dann kann Gott einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass er ihn nicht aufheben kann und gleichzeitig kann er ihn als allmächtiger Gott aufheben. Und das wir das als logischen Widerspruch ansehen, kann egal sein, denn wir hatten ja gesagt, dass Gott über den logischen Gesetzen steht und auch diese seiner Macht unterstehen.

Damit wäre das Problem gelöst, aber wir müssten einen schweren Preis dafür zahlen: Das Gesetz vom ausgeschlossenen Widerspruch würde nicht mehr gelten. Dieses Gesetz ist aber die Grundlage aller menschlichen Erkenntnis. Es besagt (vereinfacht gesagt), dass eine (hinreichend präzise) Aussage nicht gleichzeitig wahr und falsch sein kann. Wenn dies nicht mehr gilt, dann ist jede Frage, ob etwas wahr oder falsch sei, von vornherein sinnlos. Denn jede Behauptung kann wahr und gleichzeitig falsch sein und gleichzeitig keins von beiden. Und in einem Augenblick würde jede Diskussion darüber, ob eine Antwort auf eine Frage wahr oder falsch ist, jeglichen Sinn verlieren. Wer also diesen Satz nicht anerkennt, der kann jede Frage beantworten wie er will, aber keine Antwort hat noch irgendeinen Sinn. Wer diesen Satz leugnet, der stellt sich bei jeder Diskussion selbst ins Abseits.

Der bessere Ausweg

Da ich gerne Recht behalte, habe ich bei dieser Lösung natürlich extreme Bauchschmerzen. Es gibt aber natürlich eine Alternative: Ich behalte den Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch, und kann dann sehen, dass die Frage keinen Sinn hat, da die Menge der logisch möglichen Antwort leer ist. Atheisten sagen hier dann gerne, dass Gottes Allmacht die "Schuld" daran trägt, da diese unlogisch sei. Hier verwenden sie dann allerdings einen kleinen Trick, den ich nicht mitmachen will: Sie definieren erst einmal Allmacht so, dass sie zu logischen Widersprüchen führt und nehmen dann die logischen Widersprüche als Beweis gegen die Allmacht.

Nun gibt es aber viele mögliche Definitionen des Begriffs Allmacht und einige davon führen nicht zu logischen Widersprüchen. Es ist daher erforderlich, erst einmal genau das zu machen, was Mathematiker seit Russell mit der Mengenlehre machten: Sie erkannten, dass das Problem in den verwendeten Definitionen lag, die es erlaubten, selbstwidersprüchliche Mengen zu "definieren". Also verboten sie ganz einfach selbstbezügliche Definitionen.

"Nun sag' schon: Soll der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch gelten oder nicht?"
Genau das gleiche muss ich machen, wenn den Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch behalten will und gleichzeitig sinnvolle Fragen zu Gottes Allmacht stellen will: Ich muss Allmacht auf eine Art definieren, die keinen Selbstbezug enthält. Und damit erledigt sich die Eingangsfrage wie von selbst; denn sie enthält einen Selbstbezug und ist damit unzulässig.

Welches ist diese einfache Definition? Die Antwort auf diese Frage ist natürlich nicht eindeutig, da es wie gesagt, mehrere mögliche Definitionen gibt, und ich habe noch nicht alle bis zur letzten Konsequenz durchgedacht. Aber im Augenblick denke ich, dass folgende Definition sinnvoll ist:

Allmächtig ist derjenige, der in seinem Handeln keinen äußeren Zwängen unterworfen ist.

Möglicherweise muss eine derartige Definition noch etwas präzisiert werden, aber ich denke, dass diese Definition im wesentlichen funktioniert.

Damit habe ich jetzt eine einfache Antwort, die ich dem Fragesteller auf einem Silbertablett in Gestalt einer Gegenfrage zurückreichen kann: "Soll der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch gelten?" Wenn er "ja" antwortet, dann kann ich ihm sagen, dass seine Frage leider keinen Sinn ergibt, da die verwendeten Elemente den Satz verletzen; wenn er "nein" antwortet, dann kann ich ihm sagen, dass eine Diskussion mit ihm keinen Sinn hat, da er überhaupt keine Fragen mehr stellen kann, die man sinnvoll beantworten kann (Wer es gerne etwas mathematischer hätte, dem führe ich das ganze gerne hier in der Sprache der Mengenlehre vor). Das einzige Risiko hierbei ist, dass man auf einen Atheisten trifft, der so wenig Ahnung hat, dass er nicht kapiert wovon ich überhaupt spreche, denn der wird sich hiervon nicht beeindrucken lassen. Andererseits, warum sollte ich mich davon beeindrucken lassen, dass mein Diskussionsgegner keine Ahnung hat?

Der nächste Schritt

Es gibt übrigens auch Atheisten, die einen Schritt weiterdenken; so erklärt ein Atheist folgendes (Hervorhebungen von mir):
Wenn Gott allmächtig ist, kann er dann auch einen Stein schaffen, der so schwer ist, dass er ihn nicht aufheben kann?". Das erzeugt sofort ein Paradoxon: Kann Gott einen Stein schaffen, der so schwer ist, dann kann er ihn nicht aufheben - kann er ihn nicht schaffen, kann er auch nicht allmächtig sein. Gleichgültig, wie man sich dreht und wendet, Gott ist immer der "Verlierer" und eben nicht allmächtig. Diese Beispiele lassen sich beliebig vermehren, das Konzept der Allmacht ist in sich widersprüchlich. Deswegen wird allerdings inzwischen meistens eine Definition gewählt, die Selbstwidersprüche ausschließt. Das aber würde wiederum bedeuten, dass der Allmacht Gottes durch die Logik Grenzen gesetzt werden - von wem stammt denn dann die Logik und wieso steht diese über Gott? In jedem Fall hätten wir dann eine "beschränkte Allmacht", ein in sich widersprüchlicher Begriff.
Dies ist ein mehr oder weniger geschickter Versuch meine Schlussfolgerung zu umgehen. Hier wird korrekt festgestellt, dass eine vernünftig definierte Allmacht Gottes Macht den Gesetzen der Logik unterordnet. Allerdings ergibt ist die Frage: "Von wem stammt denn dann die Logik und wieso steht diese über Gott?" ein weiteres Problem für den Atheisten. Denn ähnlich wie Atheisten gerne vergessen, dass es drei Möglichkeiten gibt, woher Gott seine ethischen Prinzipien nehmen kann, so gibt es auch drei Möglichkeiten, woher die Gesetze der Logik herkommen können: Entweder Gott ist der Logik unterworfen oder Gott entscheidet sich willkürlich dafür, dass er die Gesetze der Logik verwenden will oder aber Logik ist ein Teil der Natur Gottes.

Die obige Frage lässt aber genau die letzte Möglichkeit aus: Es wird so getan, als ob es nur zwei Möglichkeiten gebe, entweder Gott ist den Gesetzen der Logik unterworfen, in welchem Fall es etwas außerhalb von ihm geben würde, was seine Allmacht einschränkt (die Gesetze der Logik nämlich) oder aber Logik würde für Gott nicht gelten, es sei denn er würde sich willkürlich dafür entscheiden diese zu verwenden.

Wenn Logik (wie z.B. der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch) aber Teil der Persönlichkeit Gottes ist, dann gibt es nichts außer ihm selbst, das sein Handeln einschränkt. Nun bedeutet "Allmacht" aber sicher nicht, dass man alles tun muss, denn dann würde Allmacht ja nicht die Macht der Selbstbeherrschung einschließen. Wenn Gott aber nicht alles tun muss, um allmächtig zu sein, dann kann eine vernünftige Definition (wie oben bereits gesagt) von Allmacht lauten, dass allmächtig genau der ist, der keinen äußeren Zwängen unterworfen ist, sich also von nichts und niemandem außer ihm selber etwas vorschreiben lassen muss. Aber dann ist jede Einschränkung seines Handelns, die ihre Ursache in ihm selbst hat, keine Einschränkung seiner Allmacht. Und damit verschwindet auch diese Einspruchsmöglichkeit gegen eine logisch einwandfrei definierte Allmacht. Denn die einzige Beschränkung der Allmacht Gottes kommt aus ihm selbst, er muss sich keinem äußeren Zwang beugen.

Der nicht lügt

Einen interessanten Punkt hierbei ergibt Titus 1,2, wo Gott als derjenige bezeichnet wird, der "nicht lügt" (z.B. Luther, Elberfelder Bibel) oder der "nicht lügen kann" (z.B. NWÜ, Schlachter 2000, Neues Leben). Beide Formulierungen geben den griechischen Grundtext korrekt wieder. Beide Formulierungsmöglichkeiten sind im Original enthalten und zusammen ergeben eine Aussage, die dem nahe kommt, was ich oben erläuterte. Lügen erfordert es, dass die eigenen Aussagen nicht dem Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch unterliegen; denn Lügen bejahen Aussagen, die von der Realität verneint werden.

Ein Gott, der "nicht lügen kann", entscheidet sich nicht einfach willkürlich, nicht zu lügen; denn eine willkürliche Entscheidung ist das Gegenteil von "nicht können" nämlich "können aber trotzdem nicht machen". Ein Gott, der "nicht lügt", untersteht aber nicht unbedingt einfach dem Diktat einer äußeren Macht, die ihn zur Wahrheit verpflichtet. Was sollte das auch für eine Macht sein. Das einzige, was Gott zur Wahrheit verpflichtet, ist somit er selbst. Das ist zwar nicht exakt die gleiche Idee, wie das Gott die Logik "in sich hat", kommt diesem aber sehr nahe. Denn zumindest der Satz vom ausgeschlossenen Widerspruch muss für beide Fälle ein Teil von Gottes Natur sein. Und der Satz ist ja für unser Problem grundlegend.

Damit krieche ich wieder unter meinen Stein zurück, in der Hoffnung, dass niemand ihn hoch hebt.

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