Dienstag, 21. Juni 2011
Körperschaftsverfahren: Ablehnungsgrund Ausschluss? (Teil 3)
Dies ist der dritte Teil eines mehrteiligen Artikels. Ich rate dazu, zuerst unbedingt Teil 1 zu lesen und möglicherweise auch Teil 2, da ansonsten der Inhalt unverständlich bleibt.

Dieser Abschnitt dokumentiert das Argument des Bremer Rechtsausschusses zur Frage: "gefährden Zeugen Jehovas die Religionsfreiheit austrittswilliger Mitglieder?" Behauptet wird, dass austrittswillige Mitglieder mit der Drohung festgehalten werden, dass sie sonst ihre Familien verlieren. In den vorhergehenden Abschnitten des Artikels zeigte ich bereits, dass dies für im gleichen Haushalt lebende Familienmitglieder nicht zutrifft und in Bezug auf außerhalb des Haushalts lebende Familienmitglieder es dem Gewissen des einzelnen überlassen bleibt, wie weit er den Kontakt einschränkt. Hierbei sind ausdrücklich keine Sanktionen vorgesehen, wenn ein Zeuge Jehovas sich nicht an diese Glaubenslehre hält. Somit fehlt das (im ersten Artikel besprochene) "aktive Hinwirken". Da das besprochene Verhalten seitens der Einzelpersonen völlig legal ist und vom Staat nicht verfolgt wird, kann ohne "aktives Hinwirken" keine Grundrechtsverletzung vorliegen.

Das Argument wirkt auf mich etwas skurril, da der Rechtsausschuss sich nicht einmal die Mühe macht, irgendein grundrechtsverletzendes Verhalten zu beweisen, sondern dieses ohne weiteres voraussetzt. Damit fehlt dem ganzen ohnehin ein tragfähiges Fundament.

Nebenher bemerkt habe ich den Eindruck, dass dieser Abschnitt von dem Gutachten der Baden-Württembergischen Regierung abgeschrieben wurde, da er von dem restlichen Bericht im Stil stark abweicht.
Nach Artikel 4 Absatz 1 Grundgesetz ist die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses unverletzlich. Die Verfassungsvorschrift beinhaltet somit ausdrücklich eine negative Komponente der Religionsfreiheit, sodass die Entscheidung für oder gegen einen Glauben ausschließlich Sache des Einzelnen und nicht des Staates ist. Der Staat darf einen Glauben oder eine Religion weder vorschreiben noch verbieten. Die Glaubensfreiheit beinhaltet nicht nur die Freiheit, einen Glauben zu haben, sondern auch die Freiheit, nach eigenen Glaubensüberzeugungen zu leben und zu handeln. Diese Freiheit schließt das Recht eines jeden ein, kultischen Handlungen eines nicht geteilten Glaubens fern bleiben zu können (vergleiche Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 16. Mai 1995 – 1 BvR 1087/91). Die Religionsfreiheit dokumentiert sich auch darin, ein Bekenntnis oder eine Zugehörigkeit zu einer Kirche oder einer Religionsgemeinschaft selbst und frei von staatlichem Zwang zu bestimmen. Eingeschlossen ist ausdrücklich die Freiheit, einer Kirche oder einer solchen Religionsgemeinschaft fern bleiben zu können, ebenso wie die freie Entscheidung, sich jederzeit von der kirchlichen Mitgliedschaft durch Austritt zu befreien.
So weit ist das Argument in Ordnung. Jeder darf seine Religion selber bestimmen.
Dies vorausgesetzt, hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 19. Dezember 2000 (2 BvR 1500/97) den mit der Prüfung des Antrags der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas auf Verleihung der Rechte einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft betrauten Behörden und Gerichten ausdrücklich den Auftrag erteilt, zu prüfen, ob die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas Austrittwillige zwangsweise oder mit vom Grundgesetz missbilligten Mitteln in der Gemeinschaft festhält und damit die von Artikel 4 Grundgesetz postulierte negative Religionsfreiheit beeinträchtigt oder gefährdet.
Auch das stimmt; was hier vergessen wurde, ist aber das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, dass ziemlich detailliert erläutert, wie diese "vom Grundgesetz missbilligten Mittel" denn nun lauten (siehe hier für nähere Erläuterungen zum Urteil des BVerwG und hier zu dem, was in der Argumentation des Rechtsausschusses hierzu fehlt). Im folgenden wird hierauf natürlich auch nicht eingegangen.
Das Bundesverfassungsgericht fasst in seiner Entscheidung zusammen, dass ein solches Verhalten zur Versagung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus führen müsse. Beeinträchtigt oder gefährdet der Austritt aus der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas den grundgesetzlich garantierten Schutz von Ehe und Familie, so hat dies regelmäßig Auswirkungen auf das beabsichtigte Ausscheiden aus der Religionsgemeinschaft, sodass eine Verletzung der Religionsfreiheit nach Artikel 4 Grundgesetz die Folge sei (vergleiche Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17. Mai 2001 – 7 C 1/01).
Hier haben wir den Hinweis, dass der Rechtsausschuss sich dessen bewusst ist, dass das Grundsatzurteil des BVerwG hier angewendet werden sollte, ansonsten bräuchte er es nämlich nicht anzuführen. Deswegen versucht das Argument auch die ganze Zeit davon abzulenken, dass der vom BVerwG geforderte zentrale Teil des Argumentes fehlt: es gibt kein "aktives Hinwirken".
Nach allem kann eine Beeinträchtigung und Gefährdung der negativen Religionsfreiheit austrittwilliger Mitglieder durch die Zeugen Jehovas angenommen werden.
Hier nun die geniale Beweisführung dazu, dass die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas vom Grundgesetz missbilligte Mittel einsetzt, um Menschen daran zu hindern, die Religion aufzugeben: man kann das ... (Trommelwirbel) ... annehmen. Mit dem Ausdruck "nach allem" scheint der Rechtsausschuss hier auf das Argument zum angeblichen Zerstören der Familie zu verweisen, dass auch schon nicht funktionierte. Denn wenn es keinen Zwang zum Abbruch der familiären Beziehungen gibt, dann kann dieser Zwang auch niemanden dazu bringen, Zeuge Jehovas zu bleiben.1 Und damit besteht kein Grund, Zeugen Jehovas den Körperschaftsstatus zu verweigern.2
Dem steht auch nicht die Ausübung der positiven Religionsfreiheit der Zeugen Jehovas als Rechtfertigungsgrund entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 19. Dezember 2000 ausdrücklich festgestellt, dass sich eine Gemeinschaft nicht auf die Ausübung ihrer Religionsfreiheit berufen könne, um eine Beeinträchtigung oder Gefährdung der Grundrechte Dritter zu rechtfertigen.
Das Problem ist dabei natürlich, dass dies im genannten Urteil so nicht drin steht. Hier bezieht sich der Rechtsausschuss anscheinend auf die §§77-82 des Urteils. Dort finde ich die entsprechende Aussage nicht, auf jeden Fall nicht "ausdrücklich". Auch anderswo im Text fehlt eine entsprechender Hinweis.
Vielmehr sei eine Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts dazu angehalten, die ihr übertragene Hoheitsgewalt im Einklang mit den verfassungsrechtlichen und sonstigen gesetzlichen Vorgaben auszuüben, auch wenn nicht jeder einzelne Verstoß gegen Recht und Gesetz die Gewähr rechtstreuen Verhaltens infrage stelle.
Und hier wird dann gleich mal das Thema gewechselt, um genau dieses Problem zu verbergen. Es geht nicht um die Ausübung "übertragener Hoheitsgewalt", sondern um die Einhaltung der Grundrechte Dritter. Beides wurde vom BVerfG mit jeweils anderen Argumetnen besprochen.
Die Verleihung des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts setzt voraus, dass die selbst nicht an die einzelnen Grundrechte gebundenen Religionsgemeinschaften die Grundrechte beachten. Hierzu gehören der Schutz von Ehe und Familie nach Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz sowie die Religionsfreiheit nach Artikel 4 Grundgesetz.
Genau, das ist so. Und nirgendwo hat der Rechtsausschuss gezeigt, dass dies bei Zeugen Jehovas nicht so praktiziert wird.
Die Voraussetzung der Rechtstreue wird verfassungsrechtlich insoweit beschränkt, als die an die Rechtstreue gerichteten Anforderungen nicht so zu fassen sind, dass sie ihrerseits im Widerspruch zu den prinzipiellen Wertungen des verfassungsrechtlichen Religions- und Staatskirchenrechts stehen. Wegen des staatlichen Neutralitätsgebotes dürfe daher nicht der Glaube als solcher, sondern das Verhalten einer Religionsgemeinschaft beziehungsweise ihrer Mitglieder bewertet werden. So verlange die Religionsfreiheit ferner, dass sich aus der Verfassung keine Vorgabe für die Binnenstruktur einer Religionsgemeinschaft ergeben und dass eine besondere, über die Rechtstreue hinausgehende Loyalität zum Staat auch von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht gefordert werden dürfe (vergleiche Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 19. Dezember 2000 – 2 BvR 1500/97).
Hier gewinne ich den Eindruck, dass jemand etwas abgeschrieben hat, ohne zu verstehen, worum es eigentlich geht. Dieser Abschnitt hat mit dem Thema des Arguments nichts mehr zu tun.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass ein die Grundrechte Dritter beeinträchtigendes oder gefährdendes Verhalten grundsätzlich nicht mit der Wahrnehmung der eigenen Religionsfreiheit zu rechtfertigen ist. Das von Artikel 4 Absätze 1 und 2 Grundgesetz umfasste einheitliche Grundrecht, zu glauben oder nicht zu glauben, die Freiheit, den Glauben zu bekunden und zu verbreiten, schließt ebenso das Recht des Einzelnen, sein gesamtes Verhalten an den Lehren seines Glaubens auszurichten und entsprechend seiner inneren Glaubensüberzeugung zu handeln, ein. Artikel 4 Grundgesetz schützt gleichermaßen die Werbung für einen Glauben und das Abwerben von einem anderen Glauben (vergleiche Bundesverfassungsgericht, Entscheidung vom 8. November 1960 – 1 BvR 59/65).
Auch hier bleibt unklar, was das ganze mit dem Fall der Zeugen Jehovas zu tun hat.
Ungeachtet der in Artikel 4 Absätze 1 und 2 Grundgesetz vorbehaltlos verbürgten Glaubensfreiheit können sich aus der Verfassung selbst Einschränkungen ergeben, insbesondere, wenn Grundrechte Dritter sowie Gemeinschaftswerte von Verfassungsrang berührt sind (vergleiche Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 24. September 2003 – 2 BvR 1436/02).
Das angeführte Urteil aüßert sich dazu, inwieweit ein Lehrer seine religiöse Überzeugung durch seine Kleidung (Kopftuch als Muslima) während des Unterrichts "veröffentlichen" darf. Im §38 des Urteils heißt es interessanterweise:
Die Einschränkung der vorbehaltlos gewährleisteten Glaubensfreiheit bedarf überdies einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Grundlage
Dieser Satz fasst zusammen, was der Bremer Rechtsausschuss vergessen hat: er (der Rechtsausschuss) schränkt die Religionsfreiheit der einzelnen Zeugen Jehovas ein, indem er verlangt, dass sie hinreichend intensiven Kontakt mit Familienangehörigen pflegen, die die Religion verlassen haben. Er sagt aber nicht, auf welcher "bestimmten rechtlichen Grundlage" dies geschieht, was mich nicht verwundert, da es keine Grundlage gibt.3
Diese Einschränkungen begründen sich aus dem Schutz der Familie als Lebens- und Begegnungsgemeinschaft nach Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz, aus der negativen Religionsfreiheit nach Artikel 4 Grundgesetz sowie aus dem von Artikel 79 Absatz 3 Grundgesetz auch bei der Verleihung der Rechte einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nach Artikel 140 Grundgesetz, Artikel 137 Absatz 5 Weimarer Verfassung gebotenen Schutzauftrag des Staates.
Hier wird wieder nur das Urteil des BVerfG zusammengefasst.
Unberührt bleibt das Recht einer Religionsgemeinschaft – wie zum Beispiel Zeugen Jehovas –, selbst darüber zu bestimmen, wer Mitglied sein und wer wegen einer Nichtübereinstimmung mit der Lehre von der Religionsgemeinschaft ausgeschlossen werden kann.
Es ist schön, dass wir uns hier alle einig sind.
Eine darüber hinausgehende Sanktionierung eines Austrittes oder eines Ausschlusses, die geeignet ist, Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz und damit Grundrechte Dritter zu verletzen, ist verfassungsrechtlich unzulässig, da das Grundrecht Dritter höher zu bewerten ist (vergleiche Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 3. Kammer des 1. Senats vom 21. Juli 2005 – 1 BvR 817/05).
Hier schießt sich die Argumentation selbst die Füße weg: Der Rechtsausschuss hat nirgendwo (konkret:o) eine Sanktionierung genannt, geschweige denn eine, die die Grundrechte dritter verletzt.
Der aus religiösen Gründen empfohlene Abbruch des Kontaktes zu „abtrünnigen“ Familienangehörigen ist zwar von der Glaubensfreiheit erfasst, aber verfassungsrechtlich mit geringerem Gewicht einzuordnen als das Grundrecht auf negative Religionsfreiheit eines austrittswilligen Mitglieds der Zeugen Jehovas.
Im vorhergehenden Satz war die "Empfehlung" noch eine "Sanktionierung". Anscheinend hat der Rechtsausschuss sein eigenes Argument nicht verstanden, ansonsten wäre aufgefallen, dass das, was man beweisen kann, eine Empfehlung ist, während das, was man beweisen muss, etwas ganz anderes, weitreichenderes ist, nämlich eine Sanktionierung.

Außerdem vergisst der Rechtsausschuss, dass er hier wieder direkt die Glaubenslehre beurteilt ("aus religiösen Gründen empfohlen"), während wenige Zeilen weiter oben noch ausdrücklich gesagt wurde, dass er dies nicht darf.
Die Androhung eines Kontaktabbruchs soll den Austrittswilligen zum Verbleib in der Religionsgemeinschaft zwingen, sodass dieser in seiner Religionsfreiheit nachhaltig beeinträchtigt wird.
Hier hat das Argument endgültig ein selbst geschaffenes Märchenland betreten: kaum etwas liegt Zeugen Jehovas ferner, als Menschen in der Religionsgemeinschaft zu behalten, die selber keine Zeugen Jehovas sein wollen. Ganz im Gegenteil versuchen Zeugen Jehovas solche Leute loszuwerden, wenn sie wirklich nicht mehr wollen.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass das Verhalten der Zeugen Jehovas den Schutz der Familie und im Falle der „Abtrünnigkeit“ eines Partners auch den Schutz der Ehe (Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz) beeinträchtigt und gefährdet. Zudem wird die negative Religionsfreiheit nach Artikel 4 Grundgesetz beeinträchtigt und gefährdet.
Auch hier wieder das Problem, dass das "Ergebnis" in keiner Weise aus dem vorher gesagten folgt. Wer bis hierher aufmerksam gelesen hat, wird wahrscheinlich meiner endlosen Wiederholungen der fehlenden Grundlagen müde sein.
Diese Grundrechtspositionen überwiegen im Rahmen einer Abwägung die Religionsfreiheit der Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas, so dass die Verletzung dieser Grundrechte der Verleihung des Körperschaftsstatus nach Artikel 140 Grundgesetz, Artikel 137 Absatz 5 Weimarer Verfassung entgegensteht.
Bis zum letzten Satz bleibt dieser Abschnitt selbstwidersprüchlich. Oben hatte der Rechtsausschuss noch geschrieben:
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass ein die Grundrechte Dritter beeinträchtigendes oder gefährdendes Verhalten grundsätzlich nicht mit der Wahrnehmung der eigenen Religionsfreiheit zu rechtfertigen ist.
Was oben noch (ohne sinnvolle Begründung) grundsätzlich nicht geht, ist hier wiederum vom Grundrecht auf Religionsfreiheit gedeckt, dass gegen andere Grundrechte abgewogen werden muss. Es wäre schön, wenn der Ausschuss uns sagen würde, welchen Teil seines Argumentes er als falsch ansieht; außerdem wäre es schön, wenn dies Abwägung auch einmal gemacht würde, anstatt sie nur zu behaupten. Anstatt abzuwägen wurde den Zeugen Jehovas jegliches Recht in dieser Frage abgesprochen. Da aber jeder andere Deutsche das Recht auf Ehescheidung hat und seinen Umgang mit erwachsenen Familienmitgliedern ohne Einmischung des Staates einschränken kann, wie er will, wurden hier für Zeugen Jehovas besondere Anforderungen gestellt, die in keinem Gesetz und schon gar nicht im Grundgesetz vorkommen. Die Forderung des BVerfG in einem der angeführten Urteile, dass es hierzu einer ausdrücklichen rechtlichen Grundlage bedarf, wurde ignoriert.

Und es wäre schön, wenn ein sinnvolles Kriterium (überhaupt irgendein Kriterium wäre natürlich schon ein Fortschritt) genannt würde, wo denn die Grenze liegt. Derzeit wird einfach argumentiert, dass eine Religionsgemeinschaft ihr Grundrecht auf Glaubensfreiheit4 nicht ausüben kann, wenn dem das subjektive Gefühl von Einzelpersonen entgegensteht. Außerdem wäre noch zu zeigen gewesen, warum man denn einen anderen Maßstab als das BVerwG für sinnvoll ansieht.

Und ganz zum Schluss wäre es natürlich rechtsstaatlich auch noch sinnvoll, wenn dann (konkret;o) gezeigt worden wäre, wo und wie Zeugen Jehovas diesem Maßstab nicht entsprochen haben, anstatt dies einfach anzunehmen.

Uns solange alle diese Punkte fehlen, funktionert dieses "Argument" bereits auf logischer Ebene von vorne bis hinten nicht.

Als nächstes geht es dann weiter mit der Frage, ob die Verweigerung von Bluttransfusionen ein Ablehnungsgrund wäre.

[Fortsetzung folgt]
1 Das bedeutet natürlich nicht, dass es keine Kontakteinschränkungen zwischen Zeugen Jehovas und ihren Familienangehörigen gibt, die die Religion verlassen haben; der springende Punkt besteht aber darin, dass diese nicht auf einem Zwang seitens der Religionsgemeinschaft beruhen, sondern auf persönlichen Gewissensentscheidungen und zumindest in einigen Fällen auch im Verhalten derjenigen, die die Familie verlassen haben. Dies ist aber vom Grundgesetz nicht missbilligt. Niemand kann gegen seinen Willen gezwungen werden, Kontakt zu erwachsenen Familienangehörigen zu pflegen.

2 Ich will damit nicht sagen, dass "austrittswillige" subjektiv keinen Druck verspüren. Ohne dass ich die Ursachen hierfür im Detail besprechen will und kann (da jeder Fall etwas anders gelagert ist), sind die Ursachen für empfundenen Druck in den allermeisten Fällen nicht identisch mit ausgeübtem grundgesetzwidrigem Zwang.

3 Der Rechtsausschuss drückt sich auch um ein weiteres Problem herum, dass er mit seinem Argument erzeugt: wie viel Kontakt und Kontakt welcher Qualität zählt denn als ausreichend? Es scheint, dass der Ausschuss hier das subjektive Empfinden einiger ehemaliger Zeugen Jehovas zum rechtlichen Maßstab macht. Er hat sich gar nicht erst darum bemüht, ein "objektives" Maß festzulegen, sondern jeder, der meint, nicht ausreichend Kontakt zu haben, ist ein Grund, Zeugen Jehovas die Anerkennung zu verweigern, ohne dass es hierzu einen gesetzlichen Maßstab gibt oder geben kann. Sobald man nämlich versucht, einen Maßstab festzulegen, wird klar, dass es sich um etwas handelt, was gesetzlich gar nicht geregelt werden kann.

4 So bezeichnet das BVerfG in §57 ihres Urteils das ganze.

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