Freitag, 4. Februar 2011
Neuer Tiefschlag in Russland
Die Pravda berichtet:
A court of the town of Kogalym delivered an unexampled judgment for Russia. The court found guilty the woman, who did not let doctors perform blood transfusion for her son over religious beliefs. The woman's son died.
[...]
The above-mentioned woman, Natalia Podlozhevich, was also a member of Jehova's Witnesses. Her five-year-old son was hospitalized in a critical condition. Doctors told the woman that the boy had to receive blood transfusion immediately. The woman refused from the procedure, and the child died. The woman was found guilty on Article 125 of the Penal Code of the Russian Federation - "Failure to give assistance to person in mortal danger."

The criminal case created prerequisites for establishing a law-enforcement practice to call members of religious organizations to criminal account for their decision to refuse blood transfusion to minors over religious beliefs, officials said.
Der letzte Satz: Der Kriminalfall schafft die Voraussetzung, um in der Strafverfolgung ein Verfahren einzuführen, nach dem Mitglieder religiöser Organisationen für die Entscheidung, Bluttransfusionen für Minderjährige abzulehnen, nach dem Strafrecht zur Verantwortung gezogen werden können.

Mit anderen Worten: Zeugen Jehovas werden dafür strafrechtlich verfolgt, dass sie nicht die Meinung eines behandelnden Arztes teilen. Super!

Was erreicht man dadurch? Im Endeffekt doch nur, dass Zeugen Jehovas Angst haben werden, ihre Kinder wie bisher ins Krnakenhaus zu bringen, da das für sie Strafverfolgung bedeuten kann. Wenn es den Behörden wirklich um das Wohl der Kinder ginge, würden sie einen Weg finden, wie Zeugen Jehovas ihre Kinder ohne Angst ins Krnakenhaus bringen können. Der Weg ist sehr einfach und weiter unten von mir erläutert. Aber das setzt natürlich voraus, dass es wirklich um das Wohl der Kinder geht und nicht um den Willen, eine ungeliebte Minderheit anzugreifen.

Natürlich hat auch die orthodoxe Kirche eine Meinung:
It is extremely important to legally regulate the issue, the priest said. "If the activity of a religious organizations becomes a risk zone for its followers and members, this organization must be banned. Such organizations must be banned on the territory of Russia, and this is absolutely normal. This is a democratic norm because it is based on concerns for people's lives," Father Dmitry said.
Natürlich behält er sich das Recht vor, dass auch orthodoxe Kirchenmitglieder Behandlungen ablehnen, wenn sie den Glaubenslehren der orthodoxen Kirche widersprechen, aber das ist natürlich etwas gaaaanz anderes, da orthodoxe Lehren natürlich richtig sind :
Father Dmitry said in an interview with Pravda.Ru that there are many things in modern medicine, which the Orthodox Church does not accept.
[...]
If medicine violates "Thou shall not kill" Commandment, we will always be standing against such methods. If the state becomes criminal, as it happened in fascist Germany 70 years ago, the Orthodox Christians will have to live under the laws of Gospel.
In Russland scheint niemand zur Kenntnis zu nehmen, dass andere Länder eine Methode gefunden haben, um diesen Konflikt wesentlich einfacher zu lösen: Es wird nicht versucht, den Eltern die Verantwortung für die Entscheidung des Arztes aufzudrücken, sondern der Arzt trägt die Verantwortung selber. In Deutschland funktioniert das: Ein Richter überträgt (nach Telefongespräch kurzfristig, häufig ohne die Eltern auch nur anzuhören, ggf. auch nachträglich, wenn der Arzt meint, keine Zeit zu haben) dem Arzt die Vollmacht, die Entscheidung ohne die Eltern zu treffen.

In Russland scheint man der Meinung zu sein: der Arzt trifft die Entscheidung, und die Eltern sind dann zur Unterstützung verpflichtet, selbst wenn sie die Entscheidung nicht gut finden. Das damit ein grundlegendes Menschenrecht der Eltern (Gewissensfreiheit) verletzt wird, ist in Russland nicht so wichtig. Das es einfache Wege gibt, allen Beteiligten ihre grundlegenden Menschenrechte zu ermöglichen, ist auch egal. Wichtig ist wieder: es gibt eine neue Methode, Zeugen Jehovas anzugreifen.

Ganz nebenbei vergisst der Staat, dass er selbst lange Zeit die Kinder von Zeugen Jehovas umbrachte, indem er sie im Winter einfach mal in einem Viehwaggon nach Sibirien schickte und auf dem Weg erfrieren ließ.

Außerdem ist die Ablehnung einer Bluttransfusion auch in Russland kein "Todesurteil", wie man dem Bericht entnehmen kann:
Eighteen months ago, the doctors of Russia's Polenov Institute for Microsurgery took a legal action seeking permission for blood transfusion for their patient, who was suffering from a brain tumor. The court took the side of the patient, also a member of the Jehovah's Witnesses. Luckily, the surgery to remove the tumor went well, and the woman survived.

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