Donnerstag, 3. März 2011
[Update] Zeugen Jehovas klagen gegen Rheinland-Pfalz
Nach dem hier erschienenen Bericht liegt dem Verwaltungsgericht Mainz eine Klage der Religionsgemeinschaft gegen die Ablehnung des Antrags auf Anerkennung als K.d.ö.R. vor (hier weitere Links zum Thema).

Diesen Schritt habe ich natürlich gerechnet. Sobald weitere Details bekannt werden, werde ich sie hier darstellen und kommentieren.

Die bisher bekannten Informationen lauten:
Die Zeugen Jehovas klagen gegen das Land Rheinland-Pfalz wegen der Nichtanerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Das bestätigte das Mainzer Verwaltungsgericht am Donnerstag.
Dann können wir demnächst ja wohl auch mit einer Klage in Baden-Württemberg rechnen, wo es die gleiche Problematik gibt.

[Update]
Pressemitteilung
Jehovas Zeugen
Nr. 12/11
2. März 2011

Jehovas Zeugen klagen auf Verleihung der Körperschaftsrechte
Klage gegen das Land Rheinland-Pfalz

Selters/Taunus — Obwohl Jehovas Zeugen seit 2006 bundesweit den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts innehaben, hat das Land Rheinland-Pfalz mit Bescheid vom 14. 2. 2011 einen Antrag von Jehovas Zeugen auf Zweitverleihung der Körperschaftsrechte wegen angeblicher Zweifel am Vorliegen der Rechtstreue abgelehnt. Jehovas Zeugen haben dagegen Klage am Verwaltungsgericht Mainz eingereicht. „Ein überflüssiger Rechtsstreit“, meint Werner Rudtke, Sprecher des Zweigkomitees, des leitenden Gremiums der Religionsgemeinschaft. „Das Land hat doch bereits akzeptiert, dass wir den Körperschaftsstatus haben. Schließlich haben wir den Antrag auf Zweitverleihung der Körperschaftsrechte als Körperschaft des öffentlichen Rechts gestellt. Das hat das Land akzeptiert“, so Rudtke.

Jehovas Zeugen beurteilen die Erfolgsaussichten positiv. „Angesichts der Tatsache, dass das Land seine Ablehnung fast ausschließlich auf einen im Internet kursierenden gefälschten Brief stützt, der angeblich von unserer Religionsgemeinschaft verfasst worden sein soll, dürfte es ein Leichtes sein, unsere Rechtstreue nachzuweisen“, äußert sich Rudtke. „Dass das Land keine besseren Argumente für die Ablehnung anführen kann, macht doch schon deutlich, dass unsere Rechtstreue im Prinzip nachgewiesen ist“, ergänzt Gajus Glockentin, Justitiar der Religionsgemeinschaft.

Neben der angeblich fehlenden Rechtstreue machte das Land noch geltend, Jehovas Zeugen fehle es an der „Gemeinwohldienlichkeit“. Ein eigenartiger Vorwurf, wie Glockentin findet, da Jehovas Zeugen doch seit 1922 – ausgenommen die Zeit des Verbots während des Nationalsozialismus – durchgehend als gemeinnützig anerkannt sind. „Gemeinnützig ist nach dem Gesetz, wer die Allgemeinheit selbstlos fördert“, so Glockentin, „damit ist die Gemeinwohldienlichkeit doch schon festgeschrieben.“

Jehovas Zeugen wurden nach 15-jährigem Rechtsstreit zuerst im Land Berlin als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Nach eingehender Prüfung haben mittlerweile 11 andere Bundesländer die Körperschaftsrechte an Jehovas Zeugen verliehen. Dies führt zu einer kuriosen Situation: „Wenn ich jetzt von Hessen über die Grenze nach Rheinland-Pfalz fahre, kommt mir jedes Mal der Gedanke, dass ich hier rechtsuntreu sein soll. Da ist die Freude dann umso größer, wenn ich wieder heim nach Hessen fahre“, sagt Rudtke amüsiert. „Ich denke, es war einfach eine politische Entscheidung, unseren Antrag abzulehnen. Man hat uns halt nicht gewollt.“ Tatsächlich hatte sich Ministerpräsident Beck in den Medien in diesem Sinne zum Antrag der Zeugen Jehovas geäußert.
Was ist "Gemeinwohldienlichkeit? In diesem Aufsatz heißt es dazu:
Durch dieses Urteil [Das "Zeugen-Jehovas"-Urteil des BVG] ist all den wissenschaftlichen Ansätzen höchstrichterlich eine Absage erteilt, die von einer Religionsgemeinschaft Staatsloyalität, Gemeinwohldienlichkeit oder anderes erwarten. Gleichwohl gibt es diese Ansätze noch. Ungeachtet der Fragen, was Gemeinwohldienlichkeit bedeutet und ob dahinter nicht leicht irreale Bilder, Vorstellungen oder Erwartungen einer vollkommenen Gesellschaft hervorlugen, stellen sich gegenwärtig recht grundsätzliche Probleme im verfassungsrechtlichen Verhältnis von Staat und Religion
Nach dem, was ich als Laie gelesen habe, ist Gemeinwohldienlichkeit etwas, was bei Enteignungen von Privateigentum eine Rolle spielt, aber das kann hier auch nicht gemeint sein. Wirklich ein etwas verwirrender Begriff; möglicherweise wird er genau deshalb verwendet.

Übrigens hat das BVerwG genau diesen Begriff 1997 in ihrem (aufgehobenen) Urteil auf Seite 12 verwendet. Allerdings wird auch dort nicht erklärt, was das ist.

Nebenbei würde mich interessieren, welchen seltsamen Brief die Regierung von Rheinland-Pfalz da aus dem Internet gezogen hat. Sachdienliche Hinweise bitte als Kommentar hinterlassen...
Stand der Anerkennung von Zeugen Jehovas, Stand 03.03.2011
grün: Zeugen Jehovas anerkannt
rot: Anerkennung abgelehnt
gelb: Entscheidung steht noch aus
blau: Klage eingereicht
(Stand 03.03.2011)

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