Donnerstag, 10. März 2011
Ein weiteres Problem für die Theorie der "gemeinsamen Abstammung"
hgp, 12:21h
Hier habe ich einen weiteren Fall entdeckt, in dem Bücher von Dawkins logisch sinnlose "Argumente" verwenden (Ich hatte bereits hier, hier, hier, hier und hier ähnliche Fälle aufgezeigt). Diesmal geht es um die Abstammungshypothese, die Idee, dass alle Lebewesen auf der Erde von einem gemeinsamen Vorfahren abstammen. Als Beleg hierfür wird u.a. die Universalität des genetischen Codes angeführt (sowohl von Dawkins als auch von wikipedia). Man nimmt an, dass alle Lebewesen von einem Vorfahren abstammen, da sie alle mit (fast) dem gleichen genetischen Code funktionieren1. Dawkins beschreibt dies folgendermaßen in seinem Buch "The Greatest Show On Earth" auf S. 209 (Übersetzungen von mir, daher abweichend von der deutschen Buchausgabe):
Natürlich klingt "ein bis zwei" wesentlich geringer als "mehr als ein dutzend". Es könnte jemand einwenden: egal wie groß die Zahl nun genau ist, die Zahl der Abweichungen ist immer noch gering im Vergleich zur Anzahl der verschiedenen Arten die auf der Erde leben. Wenden wir uns daher dem zweiten und wesentlich schwerwiegenderem Fehler in Dawkins Argument zu, den er auf S. 409f begeht:
Und genau hier liegt das Problem: wenn jede Änderung des Codes zu einer toten Zelle führt, woher kommen dann die "ein bis zwei" ( =16) Ausnahmen her? Sie hätten gar nicht entstehen können, da die Zelle gestorben wäre, bei der der Code mutiert. Alternativ hätte sie natürlich ihr gesamtes Genom durchschauen können und alle Stellen ändern können, an denen das betreffende Codewort vorkommt; aber ehrlich gesagt, wer traut einer Zelle die dafür nötige Intelligenz zu? Und die Idee, dass alle die erforderlichen abertausende von Änderungen zufällig und richtig passieren, ist so offensichtlich absurd, dass Dawkins sie genau so wenig bedenkt, wie ich das hier tue.
Etwas, was einmal schon nicht geschehen kann, kann sechzehn mal noch weniger passieren.2 Welchen Ausweg bietet Dawkins aus diesem Dilemma an? Eigentlich keinen, außer dem, dass die Experten Ideen haben3; aber weder sagt er welche Ideen, noch, ob sie überhaupt funktionieren. Das ist schön und gut, aber in einem Buch, in dem die Beweise für die Evolution besprochen werden sollen, zu dürftig. Denn wenn dieser Punkt ganz objektiv nicht funktioniert, dann gibt es eine entscheidende Lücke in der Theorie. Wenn es keine Beweise gibt, dann ist die Frage der "gemeinsamen Abstammung" nicht geklärt.
Und genau hier liegt der Selbstwiederspruch des gesamten Arguments: Wenn eine Änderung schon nicht möglich ist, dann ist ein Beispiel für eine Änderung bereits eine Widerlegung der Hypothese. Wenn jemand Beweise für die Evolution besprechen will, dann müsste er genau diesen Punkt besprechen, um seinen Job ordentlich zu erledigen.
Und es geht noch weiter: Wenn die Gruppen mit anderem genetischen Code nicht vom gleichen Vorfahren abstammen, woher kommen dann die Homologien zwischen diesen Gruppen zustande? Sie können dann ja offensichtlich nicht auf gemeinsamer Abstammung beruhen. Und das heißt, dass es außer gemeinsamer Abstammung noch eine andere (bisher in der Wissenschaft nicht wahrgenommene) Ursache für Homologien gibt. Und dann sind Homologien auch kein Beweis mehr für gemeinsame Abstammung, denn sie könnten ja alle durch diesen unbekannten Mechanismus entstanden sein.
Eine weitere Frage, die sich ergibt: Wieso kann der genetische Code in den verschiedenen Gruppen derartig ähnlich sein, wenn sie doch keinen gemeinsamen Vorfahren hatten? Welcher Mechanismus bewirkt dann die Ähnlichkeit?
Die Antwort "jemand hat das gezielt so gebaut" wird von Dawkins natürlich nicht in Erwägung gezogen. Nun, ich will ihn auch nicht dazu zwingen, aber die Möglichkeit scheint mir doch wesentlich sinnvoller, als sich mit einem Argument zu begnügen, dass sich so offensichtlich selbst widerspricht.
1 In wikipedia wird dieser Artikel zitiert, nach dem die Abstammung von einem Vorfahren um viele Größenordnungen wahrscheinlicher ist, als die Abstammung von mehreren verschiedenen Vorfahren. Man beachte jedoch diesen Satz:
2 Ich vermute, dass Dawkins aus genau diesem Grund von "ein bis zwei" spricht. Einen Zufall kann man sich noch vorstellen. Wenn man sich aber sechzehn unabhängige quasi unmögliche Zufälle annehmen soll, dann würde es den meisten Lesern wesentlich schwerer fallen, dem Argument unkritisch zu folgen
3 Ein Mittel, mit dem Dawkins dieses Problem weniger offensichtlich macht, besteht darin, dass er die Bezeichnung von Francis Crick für den genetischen Code als "eingefrorenen Zufall" übernimmt. Was Dawkins nicht bewusst zu sein scheint: Der genetische Code ist optimiert in Bezug auf Fehlertoleranz. Damit ist ergibt sich natürlich die Frage, wie denn der Code optimiert wurde. Und der Hinweis auf "Ideen, wie der eingefrorene Zufall wieder 'aufgetaut' werden kann", gehen dann von einer falschen Voraussetzung aus. Da ein entsprechende Artikel bereits 2004 im Spektrum der Wissenschaft erschien (auf englisch mit Sicherheit bereits vorher), hat Dawkins auch hier es besser wissen können. Entweder er hat also keine Ahnung vom Fachgebiet seines Buches oder er unterschlägt Fakten, die ihm nicht in den Kram passen. Das erhöht nicht mein Vertrauen in seine Argumente.
...the genetic code is universal, all but identical across animals, plants, fungi, bacteria, archaea and viruses. The 64-word dictionary, by which three letter DNA words are translated into 20 amino acids and one punctuation mark, which means 'start reading here' or 'stop reading here,' is the same 64-word dictionary wherever you look in the living kingdoms (with one or two exceptions too minor to undermine the generalization).Hier begeht Dawkins einen ersten Fehler: wenn wir uns diese Seite ansehen, und die verschiedenen Codes nachzählen, dann kommen wir auf 17 verschiedene Codes, den "universellen" und 16 andere. 16 ist ca. zehn mal so viel wie "ein bis zwei", also eine Abweichung von einer Zehnerpotenz. Das hätte übrigens ich auch ohne große Anstrengung aus wikipedia erfahren können (siehe Link weiter oben). Daher weiß Dawkins als Biologe das mit Sicherheit auch, schreibt aber trotzdem eine falsche Information zu einem grundlegenden Fakt der Biologie.
...der genetische Code ist universell, d.h. fast identisch bei Tieren, Pflanzen, Pilzen, Bakterien, Archaebakterien und Viren. Der 64 Worte umfassende Code, mit dem Dreibuchstaben-DNA-Worte in zwanzig Aminosäuren und ein "Satzzeichen" (mit der Bedeutung 'starte lesen hier' bzw. 'beende lesen hier') ist der gleiche Code, wo auch immer man in den verschiedenen Reichen des Lebens nachschaut (mit ein oder zwei Ausnahmen, die zu gering sind, um die Verallgemeinerung zu untergraben).
Natürlich klingt "ein bis zwei" wesentlich geringer als "mehr als ein dutzend". Es könnte jemand einwenden: egal wie groß die Zahl nun genau ist, die Zahl der Abweichungen ist immer noch gering im Vergleich zur Anzahl der verschiedenen Arten die auf der Erde leben. Wenden wir uns daher dem zweiten und wesentlich schwerwiegenderem Fehler in Dawkins Argument zu, den er auf S. 409f begeht:
The reason is interesting. Any mutation in the genetic code itself (as opposed to mutations in the genes that it encodes) would have an instantly catastrophic effect, not just in one place but throughout the whole organism. If any word in the 64-word dictionary changed its meaning, so that it came to specify a different amino acid, just about every protein in the body would instantaneously change, probably in many places along its length. Unlike an ordinary mutation...this would spell disaster.Oder mit anderen Worten: jede lebende Zelle, deren genetischer Code sich ändert, stirbt schnell und unverzüglich, weil urplötzlich eine bestimmte Aminosäure durch eine andere ersetzt wird (oder ein "Satzzeichen"), dass unter Garantie an der übergroßen Mehrheit aller Stellen dafür sorgt, dass die Funktion des jeweiligen Proteins zerstört wird.
Der Grund [hierfür] ist interessant: irgendeine Mutation im genetischen Code selbst (im Gegensatz zu Mutationen in den einzelnen Genen, die er codiert) hätte einen sofortigen katastrophalen Effekt, nicht nur an einer Stelle, sondern im gesamten Organismus. Wenn irgendein Wort des Codes seine Bedeutung ändert und eine andere Aminosäure spezifiziert, würde sich sofort jedes Protein im Körper ändern, wahrscheinlich an vielen Stellen. Im Gegensatz zu einer normalen Mutation... bedeutet dies eine Katastrophe.
Und genau hier liegt das Problem: wenn jede Änderung des Codes zu einer toten Zelle führt, woher kommen dann die "ein bis zwei" ( =16) Ausnahmen her? Sie hätten gar nicht entstehen können, da die Zelle gestorben wäre, bei der der Code mutiert. Alternativ hätte sie natürlich ihr gesamtes Genom durchschauen können und alle Stellen ändern können, an denen das betreffende Codewort vorkommt; aber ehrlich gesagt, wer traut einer Zelle die dafür nötige Intelligenz zu? Und die Idee, dass alle die erforderlichen abertausende von Änderungen zufällig und richtig passieren, ist so offensichtlich absurd, dass Dawkins sie genau so wenig bedenkt, wie ich das hier tue.
Etwas, was einmal schon nicht geschehen kann, kann sechzehn mal noch weniger passieren.2 Welchen Ausweg bietet Dawkins aus diesem Dilemma an? Eigentlich keinen, außer dem, dass die Experten Ideen haben3; aber weder sagt er welche Ideen, noch, ob sie überhaupt funktionieren. Das ist schön und gut, aber in einem Buch, in dem die Beweise für die Evolution besprochen werden sollen, zu dürftig. Denn wenn dieser Punkt ganz objektiv nicht funktioniert, dann gibt es eine entscheidende Lücke in der Theorie. Wenn es keine Beweise gibt, dann ist die Frage der "gemeinsamen Abstammung" nicht geklärt.
Und genau hier liegt der Selbstwiederspruch des gesamten Arguments: Wenn eine Änderung schon nicht möglich ist, dann ist ein Beispiel für eine Änderung bereits eine Widerlegung der Hypothese. Wenn jemand Beweise für die Evolution besprechen will, dann müsste er genau diesen Punkt besprechen, um seinen Job ordentlich zu erledigen.
Und es geht noch weiter: Wenn die Gruppen mit anderem genetischen Code nicht vom gleichen Vorfahren abstammen, woher kommen dann die Homologien zwischen diesen Gruppen zustande? Sie können dann ja offensichtlich nicht auf gemeinsamer Abstammung beruhen. Und das heißt, dass es außer gemeinsamer Abstammung noch eine andere (bisher in der Wissenschaft nicht wahrgenommene) Ursache für Homologien gibt. Und dann sind Homologien auch kein Beweis mehr für gemeinsame Abstammung, denn sie könnten ja alle durch diesen unbekannten Mechanismus entstanden sein.
Eine weitere Frage, die sich ergibt: Wieso kann der genetische Code in den verschiedenen Gruppen derartig ähnlich sein, wenn sie doch keinen gemeinsamen Vorfahren hatten? Welcher Mechanismus bewirkt dann die Ähnlichkeit?
Die Antwort "jemand hat das gezielt so gebaut" wird von Dawkins natürlich nicht in Erwägung gezogen. Nun, ich will ihn auch nicht dazu zwingen, aber die Möglichkeit scheint mir doch wesentlich sinnvoller, als sich mit einem Argument zu begnügen, dass sich so offensichtlich selbst widerspricht.
1 In wikipedia wird dieser Artikel zitiert, nach dem die Abstammung von einem Vorfahren um viele Größenordnungen wahrscheinlicher ist, als die Abstammung von mehreren verschiedenen Vorfahren. Man beachte jedoch diesen Satz:
[...] he performed computer simulations to evaluate how likely various evolutionary scenarios were to produce the observed array of proteins.Mit anderen Worten, untersucht wurde die Frage, welche von verschiedenen Evolutionshypothesen die wahrscheinlichere ist, nicht die Frage, ob überhaupt irgendeine dieser Hypothesen realistisch ist.
Er führte verschiedene Computersimulationen durch, um abzuschätzen, mit welcher Wahrscheinlichkeit verschiedene Evolutions-Szenarien die beobachteten Proteine erzeugt hätten können.
2 Ich vermute, dass Dawkins aus genau diesem Grund von "ein bis zwei" spricht. Einen Zufall kann man sich noch vorstellen. Wenn man sich aber sechzehn unabhängige quasi unmögliche Zufälle annehmen soll, dann würde es den meisten Lesern wesentlich schwerer fallen, dem Argument unkritisch zu folgen
3 Ein Mittel, mit dem Dawkins dieses Problem weniger offensichtlich macht, besteht darin, dass er die Bezeichnung von Francis Crick für den genetischen Code als "eingefrorenen Zufall" übernimmt. Was Dawkins nicht bewusst zu sein scheint: Der genetische Code ist optimiert in Bezug auf Fehlertoleranz. Damit ist ergibt sich natürlich die Frage, wie denn der Code optimiert wurde. Und der Hinweis auf "Ideen, wie der eingefrorene Zufall wieder 'aufgetaut' werden kann", gehen dann von einer falschen Voraussetzung aus. Da ein entsprechende Artikel bereits 2004 im Spektrum der Wissenschaft erschien (auf englisch mit Sicherheit bereits vorher), hat Dawkins auch hier es besser wissen können. Entweder er hat also keine Ahnung vom Fachgebiet seines Buches oder er unterschlägt Fakten, die ihm nicht in den Kram passen. Das erhöht nicht mein Vertrauen in seine Argumente.
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