Mittwoch, 6. Juli 2011
Bremen geht nach Karlsruhe
Zeugen Jehovas klagen gegen Ablehnung
Zeugen Jehovas klagen gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Zweitanerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts in Bremen. Netterweise haben es weder die Bremer Bürgerschaft noch die Verwaltung für notwendig angesehen, Zeugen Jehovas überhaupt über die Zurückweisung ihres Antrags zu informieren.

Über einige der Mängel bei der "Prüfung" in Bremen hatte ich bereits detailliert hingewiesen (ein Teil fehlt aber noch und wird demnächst nachgeliefert):
Teil 1 Grundlagen
Teil 2 Zum Schutz von Ehe und Familie
Teil 3 Zur Religionsfreiheit
ältere Meldungen zum Thema im Archiv, u.a.:

Warum der Fall in Bremen nicht vor dem Verwaltungsgericht landet.
Zum vergessenen Gutachten der Bremer Verwaltung.
Zur Qualität der vorgelegten "Beweise"

Ein ausführlicherer Kommentar von mir wird noch folgen. Ich denke, dass heute oder morgen auch Mitteilungen des Landes Bremen vorliegen werden, die ich gerne noch abwarte.

In Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wurden bereits Klagen vor den jeweiligen Verwaltungsgerichten wegen ähnlicher Vorgänge erhoben, allerdings gab es dort zumindest einen offiziellen Ablehnungsbescheid.

In einem Beitrag der Taz heißt es u.a.:
Die Bremische Bürgerschaft hat jedoch ganz abstrakt die "Rechtstreue" der ZJ für mangelhaft befunden - ohne den Nachweis eines systematischen Rechtsbruches zu führen. Das Parlament sei auf der Grundlage von Anschuldigungen religiöser Gegner zu völlig anderen Ergebnissen gekommen als die eigene Verwaltung, entgegnen die ZJ. Denn ein rechtliches Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes der Bürgerschaft kam zu dem Schluss: Die Zeugen Jehovas hätten auch in Bremen ein Recht darauf, als Körperschaft anerkannt zu werden.
Zeugen Jehovas haben eine Presseerklärung herausgegeben:

Jehovas Zeugen legen Verfassungsbeschwerde ein

Ablehnung der Zweitverleihung der Körperschaftsrechte durch die Bremische Bürgerschaft verletzt Grundrechte der Religionsgemeinschaft

Selters/Taunus — Jehovas Zeugen in Deutschland haben beim Bundesverfassungsgericht gegen die Versagung des Körperschaftsstatus durch das Bundesland Bremen Verfassungsbeschwerde eingelegt. Ein entsprechender Gesetzesentwurf des Senats war durch die Bremische Bürgerschaft (Landtag) vor Kurzem abgelehnt worden. Nachdem Jehovas Zeugen in Deutschland 2006 im Rahmen eines Präzedenzverfahrens den Rechtsstatus einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erhalten hatten, war die so genannte Zweitverleihung für das Land Bremen genauso beantragt worden wie für die übrigen Bundesländer. Obwohl die Verwaltungen in Bremen und in den übrigen Bundesländern übereinstimmend zu dem Ergebnis kamen, dass Jehovas Zeugen der Körperschaftsstatus zuerkannt werden muss, wurde der Antrag auf politischer Ebene abgelehnt. Hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde.

Da der Senat bereits festgestellt hatte, dass Jehovas Zeugen alle Voraussetzungen erfüllen und die Körperschaftsrechte somit zu bestätigen sind, war dieser Rechtsstreit vermeidbar. Werner Rudtke, Sprecher des Zweigkomitees (Präsidiums): „Das ist ein einmaliger Vorgang! Die Bremische Bürgerschaft ist auf der Grundlage von Anschuldigungen religiöser Gegner zu völlig anderen Ergebnissen gekommen als die eigene Verwaltung. Immerhin hatte diese den Sachverhalt über drei Jahre geprüft und die Gerichte hatten sich damit über Jahre hinweg in unserem Erstverleihungsverfahren sogar bis zum Bundesverfassungsgericht beschäftigt.“ Bezeichnenderweise liegt Jehovas Zeugen bis heute weder von der Bürgerschaft noch vom Senat eine Mitteilung über den Ausgang der Sache vor.

In dem Verfahren vor dem Verfassungsgericht ist nun zu klären, inwieweit in diesem Zweitverleihungsverfahren die Voraussetzungen zur Erlangung des Körperschaftsstatus erneut geprüft werden dürfen. Im Übrigen muss auch geklärt werden, ob durch das Bremer Verfahren grundlegende Verfahrensrechte, wie das Recht auf Rechtsschutz und auf rechtliches Gehör, verletzt worden sind. „Wir sind zuversichtlich, dass das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde annimmt“, sagt Gajus Glockentin, Justiziar der Religionsgemeinschaft. „Damit hat das Gericht die Möglichkeit, grundlegende Fragen des deutschen Staatskirchenrechts zu klären und die Diskriminierung von über 2 000 Bremer Bürgern und Bürgerinnen zu beenden.“


grün: Zeugen Jehovas anerkannt
rot: Anerkennung abgelehnt
gelb: Entscheidung steht noch aus
blau: Klage eingereicht
(Stand 05.07.2011)

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